Untot in Dallas
Sookie“, beteuerte er noch einmal. „Ich habe noch nie eine Mänade gesehen, aber von dem, was man so hört, sind sie ziemlich gräßlich. Was aber hat das mit dir zu tun? Die Mänade, meine ich.“
„Weil sie nicht besonders glücklich ist, was du leicht selbst feststellen könntest, würdest du einen Blick auf die Narben auf meinem Rücken werfen“, zischte ich, und schlagartig verging Sam das Lachen.
„Du bist verletzt? Wie ist das passiert?“
Also erzählte ich ihm die Geschichte, wobei ich mir Mühe gab, die Dramatik des Geschehens abzuschwächen und den Beitrag, den die Vampire von Shreveport zu meiner Heilung geleistet hatten, herunterzuspielen. Trotzdem beharrte Sam darauf, die Narben zu sehen. Ich wandte ihm also den Rücken zu, und er hob mein T-Shirt an, allerdings nicht weiter als bis zu meinem BH. Sam gab keinen Laut von sich, aber ich spürte eine leise Berührung auf der Haut, und eine Sekunde später wurde mir klar, daß mein Chef mich gerade auf den Rücken geküßt hatte. Ich erzitterte. Er zog das T-Shirt wieder über die Narben und drehte mich um.
„Sookie, es tut mir wirklich sehr leid!“ murmelte er, und von seinem Lachkrampf war keine Spur mehr vorhanden. Sam stand ganz nah bei mir, schrecklich nah, ich konnte praktisch die Hitze spüren, die von seiner Haut ausging, die Elektrizität, die in den feinen Härchen auf seinen Unterarmen knisterte.
Ich holte tief Luft. „Ich befürchte, sie könnte irgendwann auch auf dich aufmerksam werden“, erklärte ich. „Was für einen Tribut fordern Mänaden?“
„Sie lieben stolze Männer - das zumindest pflegte meine Mutter meinem Vater zu predigen.“ Einen Augenblick lang dachte ich, Sam mache sich über mich lustig - aber dann sah ich ihn an und stellte fest, daß dem nicht so war. „Sie lieben es, den Stolz eines stolzen Mannes zu brechen und ihn sozusagen kleinzukriegen, das ist ganz wörtlich gemeint.“
„Igitt!“ sagte ich. „Was verschafft ihnen sonst noch Befriedigung?“
„Großwild. Bären, Tiger, so was.“
„Tiger sind in Louisiana schwer aufzutreiben. Vielleicht könnten wir einen Bären auftun, aber wie schaffen wir den dann ins Revier der Mänade?“ Ich dachte eine Weile darüber nach, mir wollte aber keine Lösung einfallen. „Sie will das Wild wohl lebend, nehme ich an“, sagte ich mit einem fragenden Unterton in der Stimme.
Sam, der gar nicht über das Problem nachgedacht, sondern statt dessen mich betrachtet zu haben schien, nickte; dann beugte er sich vor, um mich zu küssen.
Ich hätte es kommen sehen müssen!
Wie warm er war - ganz anders als Bill, dessen Körper nie ganz warm wird. Lauwarm, ja, aber richtig warm nie. Sams Lippen dagegen waren heiß; seine Zunge ebenso. Sein Kuß war lang, intensiv und so unerwartet - sehr aufregend! Als würde einem etwas geschenkt, von dem man nicht gewußt hatte, daß und wie sehr man es sich wünscht.
Sams Arme schlossen sich um mich; meine eigenen schlossen sich um ihn; wir beide legten alles in diesen Kuß - bis ich mit einem Plumps zur Erde zurückkehrte. Ich entzog mich ihm ein wenig, und Sam hob ganz langsam sein Gesicht von meinem.
„Dann wird es ja wirklich Zeit, daß ich mal für ein paar Tage die Stadt verlasse!“ sagte ich.
„Es tut mir wirklich leid, Sookie, aber das wollte ich schon seit ein paar Jahren tun.“
Darauf hätte ich einiges zu erwidern gehabt! Ich riß mich aber zusammen und entschied mich, mich ehrenvoll aus der Affäre zu ziehen. „Sam, du weißt doch, ich bin ...“
„... in Bill verliebt“, vollendete er den Satz.
Ich war nicht ganz sicher, ob ich in Bill verliebt war, aber ich liebte ihn und hatte mich auf eine feste Beziehung mit ihm eingelassen. Um die Sache nicht unnötig kompliziert zu machen, nickte ich nur.
Sams Gedanken konnte ich nie deutlich lesen, denn er war ja ein übernatürliches Wesen. Ich hätte jedoch eine komplette Vollidiotin sein müssen, eine telepathische Null, wenn ich die Wellen der Frustration und Sehnsucht, die von ihm ausgingen, nicht aufgefangen hätte.
„Was ich eigentlich hatte sagen wollen“, meinte ich nach einer Weile - wir hatten uns inzwischen voneinander gelöst und waren ein paar Schritte auseinandergetreten -, „ist folgendes: Wenn diese Mänade ein besonderes Interesse an Bars hat, dann muß man bedenken, daß unsere Bar nicht irgendeine ist. Sie wird, genau wie die Erics in Shreveport, nicht von einem Menschen geleitet. Es wäre also gut, wenn du dich ein wenig in acht nehmen
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