Untot in Dallas
lachte sie leise, als sei die Vorstellung, wirklich das zuwege zu bringen, was man sich vorgenommen hatte, ein wenig lächerlich.
Entlang des Flures standen sämtliche Türen offen, und in den Räumen dahinter herrschte eine geschäftige, aber völlig offene Arbeitsatmosphäre. Das, was hier getan wurde, durfte jeder sehen, und jeder konnte sich daran beteiligen. Sollte die Organisation, der der Mann von Mrs. Newlin vorstand, irgendwo Gefangene verstecken oder der Planung und Durchführung verdeckter Operationen nachgehen, dann wurden diese Dinge in einem anderen Teil des Gebäudes betrieben. Ich sah mir alles so genau wie möglich an, entschlossen, meinen Kopf mit denkbar vielen Informationen zu füllen. Bis jetzt wirkte das Innere der Zentrale der Bruderschaft der Sonne ebenso blendend sauber wie deren Äußeres und die Menschen, die hier arbeiteten, machten beileibe keinen finsteren oder heimtückischen Eindruck.
Mit scheinbar lockeren, in Wirklichkeit aber zügigen, ausgreifenden Schritten ging Sarah vor uns her, wobei sie in kurzer Zeit eine erstaunliche Wegstrecke bewältigte. Sie hielt einen Stapel Aktenmappen an die Brust gedrückt und plauderte munter über die Schulter mit uns; das von ihr angeschlagene Tempo jedoch stellte sowohl Hugo als auch mich vor eine ziemliche Herausforderung. Wir hielten nicht länger Händchen; wir mußten lange Schritte machen und uns ordentlich anstrengen, wenn wir mit der Frau Schritt halten wollten.
Der Gebäudekomplex erwies sich als viel größer, als ich zunächst vermutet hatte. Am äußersten Ende des rechten Flügels hatten wir das Haus betreten; nun durchquerten wir gerade das, was einmal das eigentliche Gotteshaus gewesen war. Inzwischen hatte man das Kirchenschiff mit Tischen und Bänken ausgestattet und nutzte es offenbar als Versammlungshalle. Von dort aus gelangten wir in den zweiten Seitenflügel. In diesem gab es weniger Räume als im ersten, und sie waren insgesamt größer. Das Zimmer, das dem eigentlichen Gotteshaus am nächsten lag, hatte früher wohl dem Pfarrer als Büro gedient. Nun prangte ein Schild mit der Aufschrift: G. STEVEN NEWLIN, DIREKTOR an seiner Tür.
Dies war die erste geschlossene Tür, die ich in diesem Haus bisher zu Gesicht bekommen hatte.
Sarah klopfte, wartete kurz und trat ein. Hinter dem Schreibtisch saß ein großer, schlaksiger Mann, der sich bei unserem Eintreten erhob, um uns erwartungsvoll und strahlend entgegenzusehen. Irgendwie schien der Kopf des Mannes zu klein für den Körper. Seine Augen waren blau und wirkten verschwommen; seine Nase war so spitz und so stark gebogen, daß sie fast schon wie ein Schnabel wirkte, und sein Haar war fast ebenso braun wie das seiner Frau, nur daß sich bereits einige Strähnchen Grau in dieses Braun mischten. Ich hätte nicht genau sagen können, welche Vorstellungen von einem Fanatiker bei mir im Kopf herumspukten, aber der Mann da hinter dem Schreibtisch wollte diesen Vorstellungen so ganz und gar nicht entsprechen. Fast schien es, als würde ihn das Leben, das zu führen er sich entschieden hatte, eher belustigen, als könne er sich selbst nicht recht ernst nehmen.
Er hatte sich gerade mit einer Frau unterhalten, die stahlgraues Haar hatte. Die Frau trug Hosen und eine Bluse, machte aber den Eindruck, als hätte sie sich in einem Geschäftskostüm wohler gefühlt. Sie war perfekt und nicht gerade unauffällig geschminkt und wirkte verärgert über irgend etwas - vielleicht über die Störung, die wir durch unser Eintreten verursacht hatten.
„Was kann ich denn heute für Sie tun?“ fragte Steve Newlin, während er gleichzeitig Hugo und mich mit einer Handbewegung aufforderte, doch Platz zu nehmen. Wir setzten uns auf die beiden grünen Ledersessel direkt vor dem Schreibtisch, und Sarah, die eigentlich gar nicht zum Sitzen aufgefordert worden war, wählte einen ähnlichen Sessel, der an der einen Wand stand. „Entschuldige, Steve“, sagte sie dabei, um gleich darauf fortzufahren: „Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen? Kaffee? Limo?“
Hugo und ich sahen einander an und schüttelten den Kopf.
„Schatz, das sind - oh, ich habe noch nicht einmal nach Ihren Namen gefragt!“ Sie warf uns einen charmant verwirrten, fragenden Blick zu.
„Mein Name ist Hugo Ayres“, erklärte Hugo, „und das hier ist meine Freundin Marigold.“
Marigold? War der Typ meschugge! Es fiel mir schwer, das Lächeln, das mir auf den Lippen klebte, nicht verrutschen zu lassen. Dann sah ich die Vase
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