Untot in Dallas
waren noch dran -, aber das gelang mir nicht, da meine Hände zu sehr zitterten. Ohnehin schien der Vampir nicht sehr erpicht darauf, meine Haut zu sehen. Seine Augen blickten absolut Leidenschaftslos.
„Godfrey!“ sagte Gabe mit ganz dünner Stimme. „Godfrey! Sie hat zu entkommen versucht!“
Godfrey schüttelte den Mann, woraufhin er den Mund hielt.
Das war also Godfrey, der Vampir, den ich in Bethanys Erinnerung, mit Bethanys Augen gesehen hatte. Mit den einzigen Augen, die sich daran erinnern konnten, ihn an jenem Abend im Bat's Wing gesehen zu haben. Godfrey, den ich durch Augen gesehen hatte, die nie wieder irgend etwas erblicken würden.
„Was haben Sie nun mit mir vor?“ wollte ich wissen, wobei ich mich anstrengte, ruhig und gleichmäßig zu reden.
Godfreys blaßblaue Augen flackerten verunsichert. Er wußte es nicht.
Die Tätowierungen hatte sich der Junge machen lassen, als er noch gelebt hatte. Sie waren sehr merkwürdig: Symbole, deren Bedeutung, darauf hätte ich jede Wette abgeschlossen, schon vor Jahrhunderten in Vergessenheit geraten war. Irgendwo saß wahrscheinlich ein Gelehrter, der sein letztes Hemd gegeben hätte, um einen Blick auf diese Tätowierungen werfen zu können, und ich Glückspilz bekam sie einfach so zu Gesicht, ohne auch nur einen Heller dafür zu bezahlen.
„Bitte lassen Sie mich hier raus“, sagte ich mit so viel Würde, wie ich aufzubringen vermochte. „Die töten mich sonst.“
„Aber du verkehrst mit Vampiren“, erwiderte Godfrey.
Verzweifelt zuckte mein Blick im Zimmer hin und her, während ich versuchte, mir auf seine Worte einen Reim zu machen.
„Na ja“, sagte ich endlich ein wenig zögerlich. „Sie selbst sind doch auch Vampir, oder nicht?“
„Morgen tue ich öffentlich Buße für meine Sünden“, sagte Godfrey. „Morgen werde ich den Sonnenaufgang begrüßen. Zum ersten Mal seit tausend Jahren werde ich die Sonne sehen, und dann werde ich das Antlitz Gottes schauen.“
Na dann. „Sie haben Ihre Wahl getroffen“, sagte ich.
„Ja“, erwiderte Godfrey.
„Aber ich nicht, ich hatte keine. Ich will leben.“ Ich gönnte mir einen kurzen Blick in Gabes Gesicht, das inzwischen blau angelaufen war. Offenbar hatte Godfrey in seiner Erregung meinen Beinah-Vergewaltiger enger an sich gedrückt, als für diesen gut gewesen war. Ich fragte mich, ob ich den Vampir darauf hinweisen sollte.
„Du verkehrst mit Vampiren“, warf Godfrey mir vor, und ich sah ihm wieder ins Gesicht. Ich wußte, ich sollte meine Gedanken besser nicht mehr abschweifen zu lassen.
„Ich bin verliebt“, erklärte ich.
„In einen Vampir.“
„Ja. In Bill Compton.“
„Vampire sind verdammt und sollten der Sonne entgegentreten. Wir sind ein Schandfleck auf dem Antlitz der Erde, wir sind Schmutz.“
„Was ist mit den Menschen hier?“ Ich deutete nach oben, um klarzustellen, daß ich die Anhänger der Bruderschaft meinte, „sind die denn soviel besser?“
Der Vampir schaute verunsichert und unglücklich. Mir fiel auf, daß er kurz vorm Verhungern war; sein Haar war derart elektrisch aufgeladen, daß es förmlich um seinen Kopf zu schweben schien, und in dem wachsbleichen Gesicht glühten die Augen wie glanzlose Murmeln. „Sie sind wenigstens Menschen, sie sind Teil von Gottes Plan“, sagte er. „Vampire sind Mißgeburten.“
„Dennoch haben Sie sich mir gegenüber netter verhalten als dieser Mensch da in ihren Armen.“ Der jetzt tot war, wie ich nach einem Seitenblick auf sein Gesicht feststellen konnte. Ich versuchte, mir mein Wissen nicht anmerken zu lassen, nicht sichtlich zusammenzuzucken, sondern konzentrierte mich wieder voll und ganz auf Godfrey, der für mein weiteres Schicksal schließlich entscheidender war.
„Aber wir trinken das Blut der Unschuldigen.“ Godfreys Augen fixierten meine.
„Wer ist denn unschuldig?“ Meine Frage war rein rhetorisch gemeint, und ich hoffte, ich hörte mich nicht allzusehr an wie Pontius Pilatus, als er fragte: 'Was ist die Wahrheit?' , obwohl er verdammt genau wußte, was die Wahrheit war.
„Kinder“, erwiderte Godfrey.
„Oh, Sie ... haben von Kindern getrunken?“ Entsetzt schlug ich die Hand vor den Mund.
„Ich habe Kinder getötet.“
Daraufhin wußte ich lange nichts zu sagen. Godfrey stand da und sah mich traurig an, wobei er Gabes Leiche, die er völlig vergessen zu haben schien, immer noch in den Armen trug.
„Was hat Sie veranlaßt, damit aufzuhören?“
„Nichts, ich kann nicht damit
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