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Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)

Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)

Titel: Untot, Intrige und viel Tee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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wenn wir uns der Lust so sehr hingeben, dass unser, ahm, Bewusstsein weggeschwemmt wird. Wer weiß – wären die Affen nicht so sehr miteinander, ahm, beschäftigt gewesen, hätten sie Wahrmut eventuell auf eine Abzweigung hinweisen können, die zum Feld der Weisheit führte. Aber das konnten sie nicht, weil sie, ahm, aufeinander lagen und sich aneinander rieben und ihn, Wahrmut, nicht einmal bemerkten.
    Ahm.
    Liebe Gemeinde, das Feld der Weisheit ist schwer zu finden, da die meisten Wege zum Meer der Unklugheit führen. Dies berichtet Wahrmut im Vierten Kapitel des Dritten Buches, welches heilig ist.
    Im Namen Wahrmuts, ich habe gesprochen. Ahm.
    Lasset uns nun singen: Oh Wahrmut, wir danken dir.«
    Der Mädchenchor räusperte sich und stimmte das Lied an. Einige Besucher der Andacht bewegten zumindest ein wenig den Mund. Es war eines der bekannteren Lieder aus Wahrmuts Vertonten Gedichten, und es war nicht besonders geistreich. Aber Bina Hasel fand es angemessen, nach ihrer anspruchsvollen Predigt über die Unklugheit der Affen etwas einfaches zu singen:
     
Oh, Wahrmut, wir danken dir ...
Oh, Wahrmut, die Welt ist groß ...
Oh, Wahrmut, ratlos stehn wir hier ...
Oh, Wahrmut, wo bist du bloß.
     
    Als der letzte Ton verklungen war, hob sie die Arme und sprach die Schlussworte: »Wahrmut segnet die milde Gabe der Heiligen Grauen Kirche, ahm, die die Baumkirche zu Etria euch heute mit auf euren Weg gibt, den Wahrmut ebenfalls segnet. Ahm. Der Hauptherrvater hält seine schützende Hand über euch. Gehet hin in Grau.«
    Wie es die Tradition verlangte, marschierte der Mädchenchor zuerst durch den Mittelgang hinaus, gefolgt von der Predigerin. Am Ausgang hielten die Mädchen die Körbe mit den Gaben hin. Heute mussten sie besonders darauf achten, dass keiner der Besucher zu viele von den kleinen, verpackten Honigkuchen nahm, denn es waren nur noch wenige da. Nach der ungeplanten Andacht vor ein paar Tagen und der Bitte um Nachschub waren zwar einige kleinere Pakete mit Gaben eingetroffen, aber bei weitem nicht genug. Die Hauptpredigerin vermutete, dass andere Bezirke das gleiche erlebt hatten, und dass die Nachschuborganisation überfordert war.
    Plötzlich sprach sie eines der Chormädchen an: »Frau Hauptpredigerin?«
    »Ja, mein Kind?«, lächelte sie und tätschelte seine Haare.
    »Gestern war doch Schlaftag. Da haben wir doch alle Zeit. Mach doch die Kirche auf, damit wir unseren Gesang proben können.«
    Hasel überlegte und strich ihren grauen Umhang glatt. Sie formulierte ihre Antwort vorsichtig, um nicht allzu deutlich zu sagen, dass sie weitere Proben für  dringend notwendig hielt. Mit einigen Liedern hatten die Mädchen doch so ihre Probleme. Gelegentlich begannen die Hunde der Vorstadt, in den Gesang einzustimmen. Das wunderschöne, aber in einer hohen Tonart geschriebene »War ich doch schlafend« brachte immer die Scheiben zum Klirren. Gelegentlich hatten Gläubige wegen dieses Liedes schon die Kirche verlassen und dafür sogar auf ihre milde Gabe verzichtet. »Nun, ich wüsste nicht, warum wir das nicht tun sollten. Wenn ihr gerne proben möchtet, sollt ihr das, ahm, tun.«
    »Oh, danke«, freute sich das Mädchen und hüpfte mit ihren Freundinnen auf und ab, dass ihre grauen Röcke flogen. »Vielleicht kommen sogar mal ein paar Leute, um uns zuzuhören! Sie müssen ja nicht zur Arbeit und wissen nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen.«
    »Ja«, ergänzte ein zweites Mädchen, »vielleicht kannst du dann sogar eine kleine Andacht für die Besucher halten.«
    Die Hauptpredigerin war sprachlos. Sie hielt es für sehr unwahrscheinlich, dass Leute in die Kirche kamen, wenn es statt milder Gaben nur einen eher dissonanten Chor zu hören gab.
    Aber wenn die Gläubigen kommen würden, so würde sie selbstverständlich bereit sein, zu ihnen zu sprechen. Sie lächelte und tätschelte den Kindern die Köpfe. Ja. Wahrmut würde das sicher gefallen.
     
Kelwi-Tee: Herbe, unreife Blätter, vermischt mit gemalenen Stengeln von Sumpfknoten. Weckt mit seinem Geschmack von Wollust und Angstschweiß aber laut Volksmund sogar Tote wieder auf. Nicht anwenden, wenn Zombies unerwünscht sind. Kostet etwa 90-130 Piesel pro Pfund.
   Aus Hutrolfs Unfehlbarer Teefibel
 
    Lila Kissen bildeten Berge aus Stoff gewordener Gemütlichkeit, während zahllose Kerzen das von schweren Vorhängen ausgesperrte Tageslicht ersetzten und die Luft mit süßlichen Düften schwängerten. Dies war, da würde kein Beobachter

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