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Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)

Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)

Titel: Untot, Intrige und viel Tee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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könnten tun, was sie sagen.« Plötzlich hatte er wieder sein Säckchen in der Hand. Er schien es zu streicheln.
    »Furchtbar«, entfuhr es Inkmuht.
    »Die Lilanen könnten sich die Vier schnappen. Sie könnten sie gegen uns einsetzen. Sie könnten sagen: Der neue Kalender ist Lila. Grau ist Vergangenheit.« Die Hand schloss sich um das Säckchen, die Knöchel traten weiß hervor.
    »Nein!«, rief Inkmuht und spürte fast körperliche Schmerzen.
    »Sie müssen sterben«, wiederholte Materia. »Und zwar ohne viel Aufsehen. Wir werden alle unsere Agenten losschicken, und sie sollen sie sofort töten, nicht festnehmen. Ein Prozess oder eine öffentliche Hinrichtung würden zu viel Aufsehen verursachen. Sie müssen einfach plötzlich verschwinden.«
    »Außerdem werden wir natürlich sofort eigene Kalender drucken«, erklärte Wantak. »Mit allen Tagen. Und mit neuen, besonders frommen Sprüchen.«
    »Eine großartige Idee.« Inkmuht fiel plötzlich etwas ein. »Was sagt eigentlich der Hauptherrvater dazu? Sollten wir ihn in dieser wichtigen Sache nicht um seine Meinung bitten?«
    Die Hauptdame und Haupthaupt Wantak tauschten Blicke aus. »Nun«, sagte Materia langsam, »du hast ihn ja noch nicht kennengelernt. Vielleicht ist es an der Zeit, das nachzuholen.«
    Wantak nickte. »Gehen wir zu ihm.« Er winkte, und Inkmuht folgte nervös. Materia bildete den Abschluss.
    Die drei verließen den Großen Saal, stiegen einige Treppen hinab und umrundeten den Brunnen in der Mitte der Grauen Burg. Auf der anderen Seite der Anlage folgten sie einem schmalen Gartenweg, bis sie zum westlichen Turm kamen. Wantak öffnete die schwere, breite Tür und ließ die anderen hindurch treten. Es ging einige Stufen hinauf, dann erreichten die drei einen runden, hellen Raum, der den ganzen Querschnitt des Turms ausfüllte. Staub schwebte in der Luft, und das Sonnenlicht schnitt Muster hinein. An der Schattenseite des Zimmers residierte ein riesiges, leeres Bett, und direkt vor dem größten Fenster, das Aussicht auf die ganze Stadt bot, stand ein massiver Schaukelstuhl.
    In ihm saß der Hauptherrvater.
    Hauptdame Gultuweiti Materia nahm Inkmuhts Hand und zog ihn nach vorn. Als er nahe dem Fenster stand und das Licht nicht mehr blendete, sah er endlich das Oberhaupt der Grauen Kirche.
    Aber dieser sah ihn nicht. Er schien überhaupt nichts wahrzunehmen. Sein Gesicht war ein verschrumpeltes Lächeln, das möglicherweise von einer lange zurück liegenden, schmackhaften Mahlzeit stammte. Der Hauptherrvater trug ein dünnes, weißes Hemd, und Speichelfäden hingen aus seinem Mund. Sie hatten einen feuchten Fleck auf dem Stoff gebildet.
    »Wir haben brave Häupter, die sich gut um ihn kümmern. Sie haben keine Zungen und dürfen die Burg nie verlassen«, erklärte Materia.
    »Er sieht aus wie ...«
    »Verstorben? Nun, der Unterschied ist nicht allzu groß, schätze ich«, sagte Materia. »Er mag untot sein, aber er ist trotzdem der Hauptherrvater.«
    »Seit wann ist er ... so?«, fragte Inkmuht leise. Sein Hals war wie der Sandtag.
    »Er hat jemanden zum Tod verurteilt, aber derjenige hat das Urteil nicht akzeptiert und ihn auf niederträchtige Weise ... vergiftet.«
    Inkmuht schluckte trocken. Seine Hand, nach wie vor jene von Materia haltend, war feucht. »Wer ... wer war das?«
    »Ich«, sagte Hauptdame Gultuweiti Materia.
     
    Es war Markttag in Amaui – nach dem neuen Kalender. In der zweifarbigen Stadt gab es ohnehin an jedem Tag alles einzukaufen, aber an diesem waren die Straßen voller Stände, die Marktschreier übertönten sich gegenseitig, und sogar die Kalender waren mittlerweile an mehreren Stellen erhältlich. Viele Händler hatten die Gestaltung des Standes der Allianz übernommen und sie zweifarbig geschmückt – ein Anblick, der jedem Kirchenherren tief im Herzen schmerzte. Einige beschimpften denn auch die Händler als Doppelketzer oder zweigesichtige Stinkschrattler, doch in Amaui verhallten solche Flüche schneller, als sie ausgestoßen wurden.
    Die zweifarbige Stadt besaß mehr verwinkelte Gassen und Kreuzungen als das Meer Wellen. Es liefen mehr Menschen herum als Bienen in ihrem Staat, und nicht alle hatten freundliche Absichten.
    Ein grauer Schemen glitt zu einem Abfallhaufen, bestieg ihn, rutschte ab und fluchte, klopfte den Schmutz von der Kutte und bestieg ihn abermals. Er griff nach einer Dachkante, zog sich hinauf und glitt flach auf das Dach. Schnell schob er sich zu dessen anderem Ende und überblickte heimlich

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