Untot - Lauf, solange du noch kannst (German Edition)
was uns am meisten überrascht, sie lächelt.
»Ich hab wieder mal einen Volltreffer gelandet«, sagt sie. »Ohne mich wärt ihr verloren.« Sie tritt aus der Wand und hebt einen Arm. In ihrer Hand ist jetzt kein Kinder-Golfschläger mehr, sondern eine große Flasche Champagner. Sie schwenkt sie hin und her. »Aber wer’s findet, darf’s behalten«, singt sie und verschwindet wieder in der Wand.
Wir hinterher. Es ist natürlich gar keine Wand. Gleich neben den Säcken hängt ein bodenlanger, steinfarbener Vorhang mit einem Schlitz in der Mitte. Hinter dem Vorhang liegt ein weiterer Raum. Alice steht unter einer Wandlampe, den Champagner in der Hand. Hinter ihr sind Regale über Regale mit Weinflaschen, dunkel und voller Spinnweben. Sie bedecken alle Wände des Raums vom Boden bis zur Decke.
»Die Hauptader«, flüstert Smitty ehrfürchtig. Er zieht ein paar Flaschen heraus und sieht sich die Etiketten an.
Pete seufzt. »Und ich hab gedacht, du hättest wirklich was Interessantes gefunden.«
»Hat sie doch«, rufe ich von der anderen Seite des Raumes. Zwischen zwei Regalen ist eine Lücke und in der Lücke ist eine Tür. Ich drücke die Klinke und schaue hindurch. Ein langer Korridor verschwindet in der Dunkelheit. Ich knipse die Taschenlampe wieder an und zwinge mich dazu, ein paar Schritte ins Dunkel zu gehen. Der Korridor ist kaum breiter als die Tür; die Steinwände zu beiden Seiten sind feucht und glitschig.
Ein Schuss knallt und etwas zischt an meinem Ohr vorbei. Mit einem Ruck bleibe ich stehen.
Ich drehe mich mit angehaltenem Atem um. Aber es ist nur Alice; sie hat den Korken von ihrem Schampus fliegen lassen. Sie schüttelt die Flasche und kreischt, als der Champagner in die Luft spritzt und sie und Smitty ganz nass werden. Pete schiebt sich mit einem Seufzen an ihnen vorbei.
»Noch ein Gang?«, fragt er. »Könnte ein Fluchttunnel sein. Viele Burgen und Herrenhäuser haben welche. Noch aus der Zeit, als es ganz normal war, angegriffen zu werden, und die Leute schnell verschwinden mussten.«
»Die gute alte Zeit, könnte man sagen.« Smitty greift nach meiner Taschenlampe, aber ich reiße die Hand weg. »Ganz schön empfindlich!« Er grinst mich an. »Ich wette, hier gibt’s sowieso irgendwo Licht.«
Er tastet an der Wand herum und findet etwas. Ein Klicken, bloß kommt kein Licht. Ich leuchte entschlossen mit der Taschenlampe nach vorn und gehe weiter. Smitty, Pete und Alice folgen mir wie Zeichentrickfiguren auf Gespensterjagd.
Nach ein paar Metern verbreitert sich der Korridor ein bisschen und wird dann noch breiter. Im Strahl meiner Taschenlampe kann ich etwas auf dem Boden liegen sehen. Es ist Alices Korken, der genau da liegt, wo anscheinend die eine Wand endet und dahinter nichts als Schwärze ist.
Mir fällt ein Schalter an der Wand auf. Er funktioniert. Schwach wird oranges Licht von den schmierigen Wänden zurückgeworfen. Ich starre auf den Raum vor uns.
Gefängniszellen gehen von dem Korridor ab, drei Stück, mit dicken Eisenstäben davor.
»Eine Burg muss schließlich auch ein Verlies haben, stimmt’s?«, sagt Smitty. Er geht zur ersten Zelle und zieht die Tür auf. Er tritt hinein. »Hier haben sie bestimmt die richtig guten Sachen verstaut.«
Ich trete an die Gitterstäbe und sehe hindurch. Noch mehr Regale mit noch mehr Flaschen.
»Hier genauso.« Pete hat die zweite Zelle bereits überprüft. Er geht zur dritten und bleibt stehen.
»Was ist?«, rufe ich ihm zu.
»Nichts«, ruft er zurück.
Ich gehe zu ihm hin.
»Soll heißen, in dieser ist nichts drin.«
Nichts außer einem Stuhl, einem Eimer und in der Ecke ein paar Lumpen.
»Ist ja abgefahren«, sage ich.
»Meinst du mich?« Smitty kommt angehüpft. »Hey, das muss der Reiherraum sein. Wo man sitzt und seinen Kater auskuriert, wenn man literweise Chateau Nerve du Plop getrunken hat oder so.«
»Das merk dir mal lieber«, sagt Pete.
Alice kommt den Korridor heraufgeschlendert und amüsiert sich mit Smitty durch die Gitterstäbe über den Eimer. Auf einmal sind die beiden dicke Kumpels.
»Der Korridor endet hier.« Pete runzelt die Stirn.
»Bist du sicher?« Ich gehe an der Zelle vorbei dorthin, wo Pete die Wand abtastet.
»Solider Stein.« Er schlägt mit der flachen Hand dagegen. »Keine sichtbaren Schalter oder Hebel.« Er scharrt mit dem Fuß über den Boden. »Wenn da mal ein Tunnel war, dann haben sie ihn möglicherweise irgendwann im letzten Jahrhundert zugemauert. Weil man jetzt keine
Weitere Kostenlose Bücher