Untot mit Biss
…«
»Cassie! Mir haben hundert Jahre nicht genügt, ihn zu überreden – warum glaubst du, dass er auf dich hören würde? Alejandro übt irgendeine Art von Kontrolle über ihn aus. Er hat etwas, das Louis-Cesar will, und er hat es ihm dafür versprochen, dass er mich zurückhält. Ich habe jahrelang darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gelangt, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Alejandro muss sterben, und deshalb auch sein Kämpfer.«
Ich sah das sehnliche Glühen in Tomas’ Augen und erkannte, dass er jedes Wort ernst meinte. Vielleicht wollte er Konsul werden, aber er wollte auch Alejandro töten. Vielleicht verdiente dieser Bursche den Tod, aber die Entscheidung darüber stand nicht mir zu. »Ich tausche nicht das Leben einer Person gegen das einer anderen, Tomas. Ich kann nicht zulassen, dass du Louis-Cesar umbringst. Keiner von uns ist Gott.«
Tomas deutete wütend auf Mircea. »Warum siehst du nicht ein, dass er dich nur benutzen will? Ohne deine besonderen Fähigkeiten würdest du ihm nichts bedeuten!«
»Und was wäre ich für dich, wenn ich dir nicht dabei helfen könnte, Konsul zu werden?«
Tomas lächelte, und dadurch veränderte sich sein Gesicht. Es wurde wieder jungenhaft und charmant, zu meinem Tomas.
»Du weißt, was ich für dich empfinde, Cassie. Ich werde dir Sicherheit und Frieden geben. Was kann er dir bieten?«
Ich wollte darauf hinweisen, dass er meine Frage nicht beantwortet hatte, als Billy zurückkehrte, mit einer kleinen Flasche in seiner substanzlosen Hand. »Ich hoffe, du brauchst sonst nichts, denn mir geht der Saft aus.« Er ließ das Fläschchen mit den Tränen in meine Hand fallen, und es erwies sich als erstaunlich schwer.
Ich zog den Stöpsel heraus, und im gleichen Augenblick sprang Tomas nicht mir entgegen, womit ich halb gerechnet hatte, sondern zu Rafe. Pritkin schoss mit der Flinte, doch die starken Schutzzauber in diesem Raum reflektierten den Schuss zu ihm zurück. Seine Schilde hielten, aber das Gewehr verwandelte sich in eine verdrehte Masse aus dampfendem Metall, und er wurde mit großer Wucht gegen die Wand geschleudert.
»Gib mir die Tränen, Cassie.« Tomas streckte eine Hand aus; mit der anderen hielt er Rafe an der Kehle. »Mircea kann euch nicht alle gleichzeitig beschützen, doch niemand muss zu Schaden kommen. Wenn du mir hilfst, lasse ich ihn los.«
Ich brauchte mich nicht zu bemühen, eine Antwort zu finden – Tomas hatte den Magier erneut unterschätzt. Vermutlich dachte er, dass Pritkin keine große Gefahr darstellte, solange die Schutzzauber Feuerwaffen nutzlos machten. Er wurde eines Besseren belehrt, als der Magier aufsprang, eine Schnur hervorholte und sie ihm um den Hals schlang. Eine improvisierte Garrotte, aber sie funktionierte.
Tomas ließ Rafe los, und Mircea verlor keine Zeit und stieß ihn in den Gang, durch den Billy verschwunden war. Rafe hatte ihn gerade erreicht, als die Schutzzauber versagten und eine ganze Horde Männer hereinstürmte. Pritkin rief etwas, ließ Tomas los und gab ihm einen Stoß, der ihn in Richtung der Angreifer taumeln ließ. Mircea schloss die Arme um mich, und eine Sekunde später lief er mit mir durch einen anderen Gang. Ich spürte, wie Abschirmzauber hinter uns aktiv wurden, und über Mirceas Schulter hinweg warf ich einen Blick in den Raum. Tomas sank zu Boden, mit einer Hand am Hals, und schnappte nach Luft. Hinter ihm sah ich einige Menschen mit so vielen Waffen, dass sie nur Kriegsmagier sein konnten. Pritkins Gesicht wurde zu einer Fratze, als er sich ihnen zuwandte … Dann brachten wir eine Ecke hinter uns und erreichten das Innerste.
Vierzehn
Es war ein kleiner Raum, nicht größer als zwölf oder dreizehn Quadratmeter.
Wände, Boden und Decke bestanden aus Stein. Das einzige Licht kam von zwei Fackeln zu beiden Seiten eines recht einfach aussehenden Metallschranks – so etwas erwartete man in einem modernen Büro, nicht im Schutzraum einer magischen Bastion. Die Konsulin stand davor, bis auf ihre lebende Kleidung so reglos wie eine Statue, und hielt eine kleine Silberkugel in der Hand. Die Tür des Schranks war geöffnet und gewährte den Blick auf Ablagen voller schwarzer Kästen.
Ich verschwendete keine Zeit mit einem Gruß und goss den Inhalt des Fläschchens auf Mircea und mich. Als die Flüssigkeit meine Haut berührte, schien ein Schleier gelüftet zu werden. Ich konnte alles
sehen,
all die Bilder und die damit zusammenhängenden Gefühle aus der anderen Zeit, so
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