Untot mit Biss
die Hocke. »Es liegt an den hiesigen Zaubern«, sagte er ruhig. »Es sind zu viele, und das macht sich bemerkbar. Wenn wir diesen Ort verlassen, sollte wieder alles in Ordnung sein. Und wenn nicht, lasse ich die Karten erneut für dich behandeln.
Es ist ein einfacher Zauber.«
Ich stieß seine Hand fort von meinen armen, verwirrten Karten. Mir war klar, wie sie sich fühlten. »Rühr sie nicht an!« Mit zitternden Händen sammelte ich sie ein, während Tomas ein wenig zurückwich und mich beobachtete.
»Es tut mir leid, Cassie«, sagte er schließlich. »Ich wusste, dass du verärgert sein würdest …«
»Verärgert?«
Ich drehte mich zu ihm um, so zornig, dass ich ihn kaum sehen konnte. »Du hast mich glauben lassen, du wärst ein armer, missbrauchter Junge, der einen Freund braucht, und ich bin dumm genug gewesen, darauf hereinzufallen! Ich habe dir vertraut, und du überlässt mich …« Ich unterbrach mich und holte tief Luft, um nicht völlig die Kontrolle über mich zu verlieren.
Tomas sollte nicht die Genugtuung bekommen, mich weinen zu sehen. Ich nahm die Karten, steckte sie in die Handtasche und überprüfte den Rest ihres Inhalts, wodurch ich ein wenig Zeit gewann, um mich zu fassen. Nach einer halben Minute sah ich auf. »Nicht alles, was zerbricht, kann wieder in Ordnung gebracht werden, Tomas.«
»Ich habe dich nicht belogen, Cassie. Das schwöre ich.«
Ich sah in seine so aufrichtig blickenden Augen und hätte ihm fast geglaubt.
»Du bist also was? Ein armer, missbrauchter Meistervampir? Ich bitte dich.«
»Ich habe nicht gelogen«, betonte Tomas noch einmal. »Ich bekam den Auftrag, für deine Sicherheit zu sorgen. Und das habe ich. Ich musste dafür dein Vertrauen gewinnen, aber ich habe dich nicht belogen. Ich habe nie behauptet, missbraucht worden zu sein, aber selbst wenn ich so etwas gesagt hätte, es wäre der Wahrheit nahe genug gekommen. Jeder von Alejandros Dienern könnte diesen Anspruch erheben.«
Tomas verblüffte mich mit seinem Verhalten. Eine von Herzen kommende Entschuldigung hatte ich nicht erwartet, aber dass er überhaupt nichts zugab, war zu viel für mich. »Du kotzt mich an.« Ich richtete mich auf, ging zur Tür und steckte den Kopf hinaus. Rafe stand im Flur und versuchte, so auszusehen, als hätte er nicht ein Wort gehört. »Er verschwindet, oder ich verweigere jede Kooperation.«
In der nächsten Sekunde packten mich Tomas’ Hände an den Oberarmen und zogen mich zurück. »Was weißt du von Missbrauch?«, fragte er mit einem scharfen Unterton. »Hast du eine Ahnung, wie ich zum Vampir geworden bin, Cassie? Würdest du dich besser fühlen, wenn ich dir sage, dass man alle Bewohner meines Dorfs zusammengetrieben hat, ich unter ihnen, damit Alejandrò und sein Hof Jagd auf uns machen konnten? Dass ich nur deshalb nicht tot bin, weil einer seiner Höflinge mich attraktiv fand und für sich haben wollte? Dass ich zusehen musste, wie Menschen, die Seuchen und Eroberungen überstanden und an meiner Seite gegen eine große Übermacht gekämpft hatten, von einem Wahnsinnigen aus kranker Freude am Blutvergießen niedergemetzelt wurden? Möchtest du das von mir hören? Und wenn es nicht grauenvoll genug ist, deine Vergebung zu bekommen … Glaub mir, ich habe noch viele andere Geschichten. Wir könnten sie austauschen. Allerdings bin ich sicher, dass dir deine Geschichten ausgehen, bevor ich mit meinen fertig bin. Du hast nur einige Jahre auf der Straße verbracht. Ich bin seit dreieinhalb Jahrhunderten bei Alejandro!«
»Tomas, bitte lass Mademoiselle Palmer los.«
Zu meiner Überraschung griff der seltsam gekleidete Mann ein. Für mich hatte er zunächst wie jemand aus dem England der Restaurationszeit ausgesehen, aber jetzt begriff ich, dass er von der anderen Seite des Kanals stammte, denn er sprach mit einem leichten, aber deutlich hörbaren französischen Akzent. Ich hatte seine Präsenz fast vergessen. Es erschien mir sehr seltsam, dass Tomas der Aufforderung sofort nachkam und so abrupt forttrat, als könnte ihn der Kontakt mit mir verbrennen. Doch der Blick seiner dunklen Augen blieb auf mich gerichtet, und er schien auf eine Antwort zu warten. Was sollte ich sagen? Du hattest eine schwere Zeit, also ist es ganz in Ordnung, dass du mich Leuten auslieferst, die noch Schlimmeres mit mir anstellen werden? Dein Leben war vermurkst, also kannst du ruhig meins ruinieren? Wenn er sich solche Worte von mir erhoffte, konnte er lange warten.
»Kannst du es vielleicht
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