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Untot mit Biss

Untot mit Biss

Titel: Untot mit Biss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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ihnen arbeiteten, weitaus ernster sein. Jene von uns, die lange genug überlebten, lernten, sehr aufmerksam zu sein.
    »Die Frau hat Wahnvorstellungen«, protestierte Tony und hob unschuldig die fleischigen weißen Hände. »Sie ist immer gefährlich labil gewesen.«
    »Dann überrascht es mich, dass du dich auf ihre Vorhersagen verlassen hast.« Die Stimme der Konsulin hallte durch den Raum, und ich spürte sie fast auf der Haut. Ihre Kraft ließ mich schaudern, und ich war froh, dass sie nicht auf mich gerichtet war. Zumindest noch nicht. Sie kleidete sich nicht mehr in wallende weiße Gewänder und verzichtete auch auf goldenen Kopfschmuck, aber ich schätzte, wenn man so stark war, brauchte man nicht anzugeben. Trotzdem wirkte sie recht eindrucksvoll, denn ihr Outfit bestand zum größten Teil aus bunten Schlangen, die dicht an dicht über ihren Leib krochen und nur gelegentlich einen Blick auf ihre Haut gewährten. Ihre Schuppen fingen das Licht der Fackeln ein und glänzten so, als wäre die Konsulin in Edelsteine gehüllt: Onyx, Jade und Smaragd, hier und dort das Aufblitzen rubinroter Augen. Doch es war nicht unbedingt ihr Erscheinungsbild, das Aufmerksamkeit verlangte – die Autorität in ihrer Stimme und die Intelligenz in den dunklen Augen zeigten, dass sie in gewisser Weise noch immer eine Königin war. Ich hatte sie nicht erkannt, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, uns vorzustellen, aber Rafe – er begleitete mich, um moralische Unterstützung zu leisten, nahm ich an – hatte mir einen Namen ins Ohr geflüstert, als wir uns dem Tisch näherten. Als er meinen verwunderten Blick bemerkte, erschienen Zähne in seinem dunklen Bart, und er gab mir das für ihn typische verwegene Lächeln. »Sie wurde nicht etwa von einer Natter gebissen,
mia Stella.«
    »Ich habe mich nicht auf sie verlassen«, log Tony. »Sie war nur eine Annehmlichkeit.«
    Rafes Hand an meinem Arm drückte fester zu, und ich biss mir auf die Lippe. Mehrmaliges unaufgefordertes Sprechen konnte die Konsulin verärgern, aber es fiel mir sehr schwer, still zu bleiben. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Geld die kleine Kröte im Lauf der Jahre verdient hatte, doch sicher nicht wenig. Ich wusste, dass er mindestens zehn Millionen mit dem Kauf von Zitrus-Terminwaren eingesackt hatte, kurz bevor mehrere Naturkatastrophen Kaliforniens Orangenernte ruinierten und die Preise sprunghaft anstiegen. So was geschah nicht jeden Tag, aber es war auch kein Einzelfall. Doch Tonys Geldgier war nie mein Hauptproblem mit ihm gewesen. Was mich ihm gegenüber ausrasten ließ, war – abgesehen von der Ermordung meiner Eltern – seine Entscheidung, einen ganzen Häuserblock niederbrennen zu lassen, weil er in jener Gegend billigen Baugrund erwerben wollte. Ich hatte ihm eine Woche vorher Bescheid gegeben, genug Zeit für ihn, eine Warnung herauszugeben, aber das machte der Mistkerl natürlich nicht. Ich erinnerte mich daran, voller Entsetzen in der Zeitung die Bilder von verbrannten Kindern gesehen zu haben, und dabei hatte ich einen hellen Moment. Ich stellte Nachforschungen an und fand meine Vermutungen bestätigt: Tony hatte mein Talent benutzt, um Morde zu planen, politische Coups zu organisieren und Drogen und Waffen zu schmuggeln. Und das waren nur die Dinge, von denen ich wusste. An dem Tag, als mir schließlich die Augen aufgegangen waren, hatte ich mir geschworen, dass er dafür bezahlen würde. Nun, inzwischen hatte er dafür bezahlt, aber meiner Ansicht nach nicht annähernd genug. »Dann sollte sie kein großer Verlust sein. Du wirst für deine Ansprüche entlohnt.«
    »Konsulin, bei allem Respekt, ich möchte nur, dass sie zu mir zurückkehrt. Ich bin ihr rechtmäßiger Herr, wie du sicher bestätigen wirst.«
    »Nein.« Der Blick der dunklen Augen glitt kurz zu mir, und ich wusste plötzlich, wie sich ein Hase fühlte, wenn er den Kopf hob und einen Falken sah.
    »Wir haben Pläne mit ihr.«
    Tony schwadronierte weiter, und ich bemerkte, dass Alphonse nicht versuchte, seinem in Schwierigkeiten geratenen Boss zu helfen. Ich sah mich gezwungen, seine Intelligenz neu einzuschätzen. Wenn sich Tony in ein spätes Grab faselte – ein permanentes diesmal –, so bekam Alphonse Gelegenheit, die Kontrolle über seine Geschäfte zu übernehmen, und das war mir recht. Alphonse und ich waren nicht unbedingt die besten Kumpel, aber soweit ich wusste, hatte er keinen Grund, mich tot sehen zu wollen, abgesehen von Tonys entsprechenden Anweisungen. Ich

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