Untot | Sie sind zurück und hungrig
gibt es einen schmalen Streifen Helligkeit und wir stolpern so schnell dorthin, wie es das Dämmerlicht zulässt. Wir befinden uns in einer Scheune, komplett mit Heuballen und einem Traktor und den typischen Bauernhofgerüchen. Ein beständiges Wummern ist zu hören, das ich nicht richtig einordnen kann, aber nirgends regt sich etwas. Wir laufen zum Scheunentor, stoßen es auf und sind draußen.
Frische Luft.
Der Regen trifft uns wie ein Schlag. Es gießt in Strömen und ich bin sofort klatschnass und schnappe nach Luft. Ich drehe mich einmal um die eigene Achse. Direkt vor uns ist ein Bauernhaus und hinter uns sind ein paar Stallungen. Um den gesamten Hof zieht sich ein hoher Gitterzaun; dahinter windet sich eine Straße einen Hügel hinunter. Dichter weißer Nebel hängt schwer über den Bäumen, die sich in der Ferne gerade noch so ausmachen lassen. Davon abgesehen – nichts. Keine Ahnung, was genau ich erwartet habe, aber jedenfalls mehr als das.
»Wohin?«, schreit Russ gegen den prasselnden Regen an.
»Zum Tor, zur Straße«, brülle ich. Wir laufen los. Schotter knirscht unter meinen Stiefeln, mit jedem Schritt spritzt Wasser hoch an meine nackten Beine. Jetzt haben wir den Salat: Hier bin ich also, auf der Flucht durch Schottland, in einem Krankenhemd, unter dem meine eiskalten geröteten Beine hervorschauen wie zwei Kochschinken. Warum bloß habe ich mir nicht die Zeit genommen, nach etwas zum Anziehen zu suchen? Der Regen klatscht uns die Klamotten an die Leiber. Wenigstens habe ich im Gegensatz zu den anderen keine Haare, die mir im Gesicht kleben können.
»Stopp!« Russ, der natürlich vorneweg läuft, bleibt stehen und breitet die Arme aus. Er dampft wie ein Vollblutpferd nach dem Galopp. Wir laufen voll auf ihn auf, prustend und schnaufend von der Hetzjagd.
Hinter dem zweiten Gebäude erstreckt sich ein Tor über die ganze Breite der Straße. Es ist geschlossen. Was auch gut ist, denn dahinter geht es zu wie in einem Hühnerstall … für Monster.
Die Horden.
So viele habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Nicht einmal beim Cheery Chomper letztens. Nicht einmal auf dem zugefrorenen See letztens – diese ganzen tropfenden Scheusale, die von der Burg zu uns herüberkamen, das war nur eine kleine intime Zusammenkunft im Vergleich zu dem hier. Sie stolpern da in dem riesigen Hühnergehege herum, hinken und ächzen, manche mit ausgestreckten Armen, den Kopf auf der Seite, ein Bein nachziehend. Sie sind klatschnass und am Verfaulen – einen solchen Gestank habe ich im ganzen Leben noch nicht erlebt, als hätte jemand das Stinkostat auf elf gedreht. Und es sind dermaßen viele! Wo haben sie die nur alle aufgetrieben? Ich warte fast darauf, dass die Musik einsetzt. Das ist ein Thriller -Flashmob.
»Die können da nicht raus, oder?«, fragt Alice.
Keine Ahnung, aber ich bin schon am Schauen. Suche nach dieser Lücke im Zaun, diesem Loch, diesem Riss im Drahtgeflecht. Weil er bestimmt irgendwo sein wird – das ist schon fast Gesetz.
»Nein, aber wir müssen da rein.« Russ deutet nach vorn. »Der einzige Weg von hier weg ist die Straße runter.«
Die Straße teilt diesen Freilauf in der Mitte in zwei Hälften und man erkennt deutlich, dass sie einmal mit Zäunen vom Gehege abgetrennt gewesen ist; aber den Zaun auf der linken Seite hat ein Panzer niedergewalzt, der jetzt verkehrt herum mitten im Freilauf liegt. Die Meute stromert ungehindert auf der Straße herum.
»Und wenn wir irgendwo anders über den Zaun klettern und dann im Bogen zur Straße zurückkehren?«
Russ schüttelt den Kopf. »Da ist eine Schlucht.«
Ich laufe nach rechts bis an den Gitterzaun. Die ganze Anlage liegt auf einem kleinen Berg mit steilen Abhängen; eine moderne Zitadelle. Wenn wir über den Zaun klettern, können wir nirgendwo anders hin, außer vier Stockwerke tief ein Kliff hinunter in den Schlamm zu klatschen.
»Es gibt keinen anderen Weg.« Russ ist hinter mir. »Wir müssen der Straße ins Tal folgen.«
Ich schüttele den Kopf, laufe aber trotzdem zurück zum Tor, wo Alice und Pete bibbernd die Monster beäugen, die ihre Arme durch den Zaun nach ihnen ausstrecken.
»Lass mich raten«, keucht Pete. »Wir klettern hoch auf den Zaun und balancieren dann oben auf der Querstange wie Seiltänzer auf und davon.«
Er guckt zu Russ und bekommt die Antwort. Russ ist weiter drüben schon am Zaun hinaufgeklettert und bewegt sich in unsere Richtung. Als er den Freilauf erreicht, ist er so weit oben, dass ihn
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