Untreu
Vernommene, die ihre Lage erst verstanden, wenn sie sich in einer Zelle befanden.
»Sie werden heute noch dem Haftrichter vorgeführt, und dann kommen Sie ins Frauengefängnis, es sei denn, Sie helfen uns weiter. Das ist Ihre Entscheidung.«
Schweigen. Mona zündete sich eine Zigarette an, die fünfte an diesem Tag. So viel rauchte sie selten. Sie nahm einen tiefen Lungenzug. Überhaupt hatte sich ihr Alltag verändert, seitdem sie Lukas sicher bei Anton wusste. Lange Nächte waren kein Problem mehr und auch nicht die Tatsache, dass die Wohnung nach zwei Tagen aussah wie...
Mona schüttelte einen unangenehmen Gedanken ab. Lukas hatte sie bislang diszipliniert. So wie jetzt würde ihr Leben immer verlaufen, wenn es ihn nicht gäbe. Lange Tage, durchwachte Nächte, ein anstrengender Job und eine private Wüste.
In diesem Moment betrat Berghammers Sekretärin den Raum. Sie ging direkt auf Mona zu.
»Was ist los, Lucia?«, fragte Mona. Jeder der Anwesenden außer Paula Svatek kämpfte mit einem mittelschweren Schock. Lucia unterbrach Vernehmungen nie, wenn es nicht wirklich wichtig war.
»Entschuldige, kannst du schnell mit rauskommen?«
»Eigentlich nicht. Warum?«
Lucia beugte sich zu ihrem Ohr und las leise von einem Zettel ab. »Bertold Grimm. Sagt dir der Name was?«
»Ja. Was ist mit ihm?«
»Er sitzt bei mir und will dich sprechen wegen der Belolavek-Sache. Dringend, sagt er.«
»Sag ihm, er soll warten. Lass ihn nicht weg, okay?«
»Er soll warten«, wiederholte Lucia.
»Ja. Es kann noch dauern, aber er soll nicht weggehen!«
»Mach ich. Entschuldigung.« Zwei Sekunden später fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
»Ich weiß nichts über den ... Toten«, sagte Paula Svatek. »Ich kenne den nicht.«
»Warum lügen Sie uns an? Wen decken Sie?«
»Ich lüge nicht. Ich kenn den nicht.«
Schweigen. Berghammer sagte nichts, Fischer schien immer noch außer Gefecht gesetzt.
Mona sah auf die Uhr. »Dann werden wir Sie jetzt zum Haftrichter bringen.«
»Bitte!« Plötzlich veränderte sich Paula Svateks Gesichtsausdruck. Etwas wie nackte Verzweiflung stand darin.
Mona beugte sich vor: »Was?«
»Bitte.« Ihre Stimme wurde leiser mit einem flehentlichen Unterton. »Bitte bringen Sie mich nicht ins Gefängnis.«
»Dann müssen Sie uns helfen. Sagen Sie uns, was Sie wissen, und schon sind Sie eine ganz normale Zeugin und keine Verdächtige mehr. So funktioniert das. Ganz einfach.«
Aber Paula Svatek schüttelte sofort den Kopf. Sie schien nicht einmal das Für und Wider abzuwägen.
»Wollen Sie ins Gefängnis? Sie haben es in der Hand. Sie müssen nicht, wenn Sie kooperieren.«
»Bitte.« Ein flehentlicher Unterton. »Ich hab nichts getan. Warum behandeln Sie mich so?«
Mona wechselte einen Blick mit Berghammer, der immer noch mit verschränkten Armen an der Tür stand.
»Eine Nacht in guter Aufbewahrung«, sagte Berghammer. Seine Stimme klang väterlich - streng und gleichzeitig gütig, eine unwiderstehliche Mischung. Das war seine Methode; niemand beherrschte sie so wie er. »Und morgen erinnern wir uns schon viel besser, gell?«
Paula saß zusammengesunken auf ihrem Stuhl und antwortete nicht. Ein paar Sekunden lang hörte man nur das Tippen der Protokollantin und das Surren des Tonbandgeräts. Schließlich griff Fischer mit einer müden Bewegung zum Telefonhörer und forderte mit ungewöhnlich friedlicher Stimme einen Polizisten an.
»Gehst du mit ihr hin?«, fragte Mona.
»Sicher.« Das klang schon wieder eher nach seiner rotzigen Art. Er schien sich erholt zu haben. Mona hätte ihn zu gern gefragt, was es mit Paula Svateks Spruch über ihn und seinen Vater auf sich hatte, aber jetzt war keine Gelegenheit dazu. Und selbst wenn sich eine ergeben hätte, hätte er es ihr wahrscheinlich trotzdem nicht erzählt.
Bertold Grimm saß in ihrem Büro. Als Mona hereinkam, sprang er auf wie ein schuldbewusster Schüler. Er hatte seinen Mantel ausgezogen und ordentlich an den Haken an der Tür gehängt. Der Mantel war nass und tropfte auf den Boden, aber Mona sagte nichts dazu. Grimm wirkte nicht mehr selbstsicher und gelassen wie bei ihren ersten beiden Treffen. Etwas war mit ihm geschehen - etwas, das ihn verändert hatte.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte er. Seine Stimme klang tonlos, sein Lächeln sah erschöpft und bemüht aus.
»Gut«, sagte Mona. Sie gab ihm die Hand - seine war eiskalt und feucht - und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Er hatte ihr von Anfang an gefallen, und sie fand
Weitere Kostenlose Bücher