Untreu
abgeben.
Leila setzte sich auf, schwang die Beine aus dem Bett und sah nach oben zu dem schimmernden Viereck des Fensters. Man konnte hier nur ein Stück des Himmels sehen, sonst nichts. Leila versuchte, gleichmäßig zu atmen, ein und aus, ein und aus. Hier war so wenig Platz, so furchtbar wenig Platz. Zwölf Quadratmeter hatte ihr eine Wärterin gesagt. Drei mal vier Meter. Noch nie hatte sie ein so kleines, enges Zimmer gehabt. Leila ahnte die nahen Wände, sie schienen auf sie zuzukommen, sie zu erdrücken.
Ein- und ausatmen.
Man konnte nirgendwohin. NIRGENDWOHIN.
Ein. Und aus.
»Frau Leitner?«
»Ja? Wer ist da?«
»KHK Mona Seiler. Wir waren für heute verabredet.«
»Ja. Aber doch erst um elf!«
»Ich bin gerade bei Ihnen in der Nähe. Kann ich schnell hochkommen? Dann müssen Sie auch nicht extra ins Dezernat.«
»Ja - warum nicht? Kommen Sie hoch.«
Mona beendete das Gespräch und parkte ihren Wagen. Sie war nervös. Sie wusste, sie war ganz nah dran. An einer Lösung, wie immer sie auch aussah. Zum zweiten Mal stieg sie die Treppe zur Wohnung Theresa Leitners hoch. Zum zweiten Mal stand sie vor ihrer Tür. Die Kinderzeichnung mit dem Regenbogen hing nicht mehr daran. Sonst sah alles aus wie immer: ein wenig heruntergekommen, aber auf eine nicht uncharmante Weise.
Sie klingelte, und Theresa Leitner öffnete kaum eine Sekunde später.
Wieder hörte sie Satans Stimme. Satan hatte sich ganz allmählich, Schritt für Schritt, in ihr Leben geschlichen und ließ sich nicht wieder vertreiben. Er hatte ihr übermenschliche Kräfte verliehen und kam nun, auch ohne dass sie Ihn rief. Sie hätte niemals ... mit Ihm spielen dürfen. Man spielte nicht mit einer Macht wie Ihm. Man behandelte sie respektvoll und hielt sich ansonsten fern.
Hätte ich Ihn nur nie gerufen.
Wie gern wäre sie ihre Sehergabe wieder los, die sie sich damals so gewünscht hatte!
Zu spät. Sie spürte, wie Er vor den Pforten ihrer Gedanken stand.
Klopf, klopf.
Nein!
Bleib draußen, verdammt! Lass mich in Ruhe, du...
Satan ließ sich nicht verfluchen, er war die Essenz aller bösen Wünsche!
Und nun war Er in ihr drin. Sie hatte den Kampf verloren. Sie dachte an Kai, bevor ihre Bewegungen mechanisch wurden und sie nur noch fremdbestimmt dachte und handelte.
Kai!
Aber Kai war weit weg in diesem Moment, sie konnte sie nicht einmal gedanklich aufspüren. Sie war auf sich allein gestellt. Satan infiltrierte ihren Kopf so lange, bis es sie nicht mehr gab, sondern nur noch Leila, Seine Marionette.
»Bertold Grimm.«
»Ja?«
»Wie gut kennen Sie ihn?«
Theresa Leitner sah sie überrascht an. Mona kam es vor, als hätte sie ein paar Kilo abgenommen. Überhaupt wirkte sie gesünder, besser aussehend, weniger deprimiert als bei der ersten Vernehmung.
»Er ist sozusagen mein Chef. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis.«
»Ist das alles?«
»Wie meinen Sie das? Was soll da noch sein?«
»Wussten Sie zum Beispiel, dass er sich sehr gut mit Karin Belolavek verstanden hat?«
»Ach so, das.« Theresa Leitner zuckte die Schultern und nahm einen Schluck von ihrem Tee. »Ja, das stimmt. Er mochte sie sehr gern.«
»Warum haben Sie mir das nicht erzählt?«
»Sie haben nicht gefragt. Ich dachte, das ist nicht so wichtig.«
»Hatten sie was ... miteinander? Sie wissen schon, eine Affäre, etwas in der Art?«
»Karin und er? Nein! Also - nicht, dass ich wüsste.«
»Aber das Gegenteil könnten Sie auch nicht gerade beschwören.«
»Nein, aber... Was wollen Sie ihm denn anhängen? Das ist ein ganz honoriger Mann, und wenn da etwas war, ist das seine und Karins Sache. Ich weiß davon nichts.«
»Karin hat Ihnen von ihrem jungen Liebhaber erzählt, aber nichts von Bertold Grimm.«
Verdammt, dachte Mona. Sie war irgendwie auf das falsche Gleis geraten. Theresa Leitner sah sie an wie jemand, der überhaupt nichts mehr verstand. Plötzlich fiel Mona keine Frage mehr ein. Und das war meistens ein Zeichen dafür, dass sie in einer Sackgasse gelandet war.
»Gibt es noch irgendwas - zu diesem Fall meine ich -, was Sie mir sagen wollen?« Geordneten Rückzug einleiten. Theresa Leitner wusste nichts. Jedenfalls nichts zum Thema Bertold Grimm.
»Eigentlich nicht. Ich glaube wirklich, ich habe Ihnen alles erzählt, als Sie das letzte Mal bei mir waren.«
Als Mona an der Tür stand, fiel ihr doch noch etwas ein.
»Hat Ihnen Karin einmal erzählt, wie sie Milan Farkas kennen gelernt hat? Dass es auf dieser Lesung im Gefängnis war?«
Theresa
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