Untreu
Unerklärlicherweise. Er sah gut aus, dachte Mona, das war sein großes Plus. Gut aussehende Männer fanden immer Frauen, die über ihre miserablen Manieren hinwegsahen. So ungerecht war die Welt.
Sie gingen auf die Tür zu.
»Ich rede«, sagte Mona, die Klinke in der Hand. »Du machst ihm nur Angst, und dann fällt ihm nichts ein.«
»So ein...«
»Halt den Mund, Hans! Ich hab genau gesehen, wie ihr Bauer behandelt habt.«
»Wir haben einen harten Job. Jeder muss da durch.«
»Und diesen Blödsinn glaubst du auch noch. Ein falsches Wort, ein gemeiner Blick, und ich schick dich raus. Verstanden?«
Ich lag auf dem Boden und hörte die vielen Stimmen, das besorgte Gewirr unterschiedlicher Meinungen. Deine war nicht darunter. Ich ließ die Augen geschlossen, weil das für den Moment die bequemste Möglichkeit war, einer Situation zu entkommen, in der ich eine schlechte Figur gemacht hatte.
Schließlich hörte ich jemanden sagen
Ich glaube, wir sollten einen Arzt holen
. Sofort ließ der Schwindel nach: Ich wollte nicht auf eine Gefängniskrankenstation, auf keinen Fall! Vor allem wollte ich nicht weg aus deiner Nähe. Ich öffnete die Augen und sah direkt in dein Gesicht. War ich blass? Sah ich krank aus? In deiner Miene konnte ich nichts lesen. Du sahst nicht mitleidig aus, aber auch nicht angewidert. Es war alles möglich. Noch, dachte ich, war alles drin.
Ich lächelte. Ich sagte: Milan, aber du hörtest nicht. Die blonde Veranstalterin kniete neben mir und streichelte meine Wangen. Sie schob mir etwas Weiches, vielleicht ein zusammengerolltes Handtuch, unter den Nacken. Danke, sagte ich schwach. Wäre sie in Ohnmacht gefallen, hätte das sicher besser ausgesehen. Ich bin kein Typ, der durch Schwäche Wirkung erzielt, aber sie gehört bestimmt dazu. Gut also, dass es mir passiert war und nicht ihr.
Ich stand langsam und schwerfällig auf und bat um einen Spiegel. Die Veranstalterin wirkte etwas überrascht, aber sie kramte sofort in ihrer Handtasche und gab mir ihren Schminkspiegel. Ich betrachtete mich zum zweiten Mal an diesem Abend in dem kleinen Viereck: Ich sah verwirrt aus, aber nicht krank. Langsam löste sich das Grüppchen um mich herum wieder auf. Ich schaute in einem Reflex auf die Uhr: Der Vorfall hatte vielleicht anderthalb Minuten gedauert, länger nicht. Mir war er wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen. Du stelltest dich wieder hinter die Saftbar und gabst Getränke aus, als wäre nichts geschehen, jedenfalls nichts, was dich anging. Ich hätte es wissen müssen.
Ich war dir vollkommen egal. Einen Moment lang wurde mir schlecht vor Angst.
Das durfte nicht sein. Es gab niemanden mehr außer dir.
Ich musste mit allen Mitteln verhindern, dass ihr euer Gespräch fortsetztet. Ich ging zu der Bar. Ich sagte:
Milan
.
Ich hab zu tun
, sagtest du und blicktest nicht einmal auf. Eine Sekunde lang hasste ich dich mit einer Gewalt, die mich selbst erschreckte. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich dich in dieser Sekunde getötet, allein durch die Kraft meines Blicks. Meine Augen durchbohrten dich, aber ich kam nicht an dich heran.
Schließlich sagte ich leise:
Ich wollte doch nur wissen, wie es dir geht.
Dieser Ton schien dir nahe zu gehen, du wurdest plötzlich freundlicher. Du gabst einem Mann einen Orangensaft und wandtest dich mir wieder zu.
Ganz gut
, sagtest du.
Und was ist mit dir? Wie geht es deinem ... Mann?
Ich konnte dir nicht sagen, was wirklich los war, nicht in dieser kurzen Zeit. Du hättest dich bedrängt gefühlt und wärst dann erst recht davongelaufen. Ich sagte also nur, dass es mir gut ging.
Wie lange musst du ... hier bleiben?
U-Haft
. Du machtest eine wegwerfende Bewegung, aber ich sah, dass du nicht so entspannt warst, wie du tatest.
Ich hab nichts getan. Sie haben keine Beweise. Ich bin hier bald wieder draußen.
Wann ist deine Verhandlung?
Übermorgen.
Diese Information reichte mir. Übermorgen. Ich würde da sein - im Gericht. Ich würde dich sehen. Und wenn sie dich tatsächlich laufen ließen, dann würde ich auf dich warten. Du würdest mir kein zweites Mal entkommen. Ich würde da sein für dich, mit Geld, mit meinem Körper, meinem ganzen Leben. Ich würde dir zu Füßen legen, was ich hatte.
In diesem Moment trat die Blonde wieder neben mich.
Ich sehe, dass es Ihnen besser geht,
sagte sie herzlich.
Darf ich mich vorstellen? Karin Belolavek.
Theresa Leitner,
sagte ich heiser und schüttelte ihre Hand.
Sie sind zum ersten Mal bei einer unserer
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