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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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sich steif und hölzern an. Sie klang mir in den Ohren, ich hasste ihren affektierten, harten Tonfall. Ich versuchte, mich zu entspannen. Ich nahm einen Zug von der Zigarette und schmeckte nur noch den heißen, bitteren Filter. Ein glühender Aschekegel fiel von der Spitze ab und landete auf meinem Busen. Ich wischte ihn hastig weg. Ein brandiger Geruch stieg mir in die Nase. Ich nestelte eine neue aus der Tasche und zündete sie an. Ich war nie nervös gewesen, bevor ich dich traf. Jetzt benahm ich mich wie ein kleines, dummes Mädchen.
    Milan, krächzte ich. Meine Selbstbeherrschung ließ mich im Stich. Ich schloss kurz die Augen, ein Schwindelgefühl erfasste mich, farbige Kreise drehten sich vor meinen Augen, ich hörte eine Stimme neben mir.
    Geht es Ihnen nicht gut? Kann ich Ihnen helfen?
    Es war die Stimme der Veranstalterin. Sie war so weich, freundlich und leise, wie ich es erwartet hatte. Sie war nett, das hatte ich von Anfang an gemerkt. Es war so schwierig, sie zu hassen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich es müsste.
    Kommen Sie, sagte die Stimme. Die Lesung hat Sie überanstrengt. So etwas ist ja auch aufregend, nicht wahr? Und dann an so einem ... Ort. Das war sicher das erste Mal für Sie. Ich helfe Ihnen hoch. Milan? Milan, bitte helfen Sie mir!
    Ich hörte deine Antwort nicht mehr. Ich lächelte mit geschlossenen Augen, in der Erwartung, dass du mich nun gleich berühren würdest. Freiwillig oder nicht, das war mir völlig egal. Unsere Liebe war unantastbar. Das Schicksal war mir zu Hilfe gekommen, weil unsere Liebe von einer höheren Macht gewollt ist. Du konntest dich nicht dagegen sperren, auch wenn deine Gefühle nicht mitspielten. Das Schicksal ist stärker als wir beide.
    Ich lächelte wieder, schiffbrüchig in einem Meer von Übelkeit und Schwindel, aber meiner Sache absolut sicher. Du gehörst mir. Jetzt und immer.
    »Tauchte der Name Milan jemals in einer dieser ... Sessions auf?«
    »Ja.«
    »Wie?«
    »Kai hat das Foto... verbrannt. Milan war der Geliebte von Marias Mutter. So hab ich das jedenfalls verstanden.«
    »Kai verbrannte sein Foto? Warum?«
    »Es war... symbolisch.«
    »Was heißt das?«
    »Symbolisch. Milan lebte die Lüge. Er sollte... also...«
    »Sterben? War es das? Er sollte sterben?«
    »Nein... Ich weiß nicht. Nicht richtig sterben, eher...«
    »Symbolisch? Er sollte symbolisch sterben? Für wie dumm halten Sie mich? Das war doch alles geplant. Da steckt doch wer dahinter.«
    »Nein!«
    »Vielleicht sind Sie wirklich so naiv, wie Sie tun. Das macht' s für Sie nicht besser.«
    Maria zieht ihr Messer aus der Tasche und versteckt es hinter ihrem Rücken. Das Messer ist klein, die Klinge vielleicht zehn Zentimeter lang, aber Maria hat es am Schleifstein in der Küche geschärft. Was zögerte sie noch? Satan würde es billigen, Kai hat sie mehr oder weniger direkt dazu ermutigt, und sie selbst? Sie glaubt, dass sie es tun muss. Ein Zeichen der Wahrheit setzen in einer Gesellschaft, die die Wahrheit nicht sehen will und stattdessen die Lüge belohnt.
    Sie will den Mann, der sich ihr als Milan vorgestellt hat, nicht töten. Sie will aber, dass er begreift, wie ernst sie ihr ist: die Wahrheit.
    Sie steht vor Milan in einem schmutzigen, asphaltierten Hinterhof. Das Häuserkarree darum herum ist so hoch, dass die Sonne nicht bis auf den Boden reicht. Nie. Zu keiner Stunde des Tages. Hier ist es immer kühl und schattig, denkt Maria, egal, wie das Wetter ist. Ein Gedanke, den sie aus irgendeinem Grund interessant findet. Ein paar übervolle Aschentonnen stehen mit halb offenen Deckeln in einer Ecke. Es stinkt nach vergorenem Abfall. Maria atmet flach ein und aus; der Geruch ist eine Peinigung für ihre überempfindlichen Sinne. Sie muss es jetzt tun oder nie. Sie bewegt sich ein paar Schritte zurück. Sie will Anlauf nehmen. Sie denkt, dass sie es sonst nicht schaffen wird. In ihrem Kopf ist eine Art weißes Rauschen wie in einem Fernseher, in dem noch keine Sender eingestellt sind. Leichter Schweiß tritt ihr auf die Stirn.
    Es geht nur um einen Denkzettel, denkt sie. Mehr nicht. Er wird dann verstehen, wie ernst es ist.
    »Was ist los mir dir?«, fragt der junge Mann. Er merkt nicht, was in ihr vorgeht. Er wirkt ganz entspannt.
    Maria läuft auf ihn zu, die Augen fest geschlossen, das Messer offen in der Hand.
    »Was machst du da! Hey, hey, hey - was soll das?«

Kapitel 9
    Bauer glaubte zu schwimmen. Er befand sich unter Wasser und versuchte, sich fortzubewegen. Aber

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