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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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Karin meinte auch eine ganz andere Form der Macht.«
    »Eine sanfte.« Fischer, leicht höhnisch.
    »Ja, so ähnlich. Sie hatte zum Beispiel diese Vision, dass es irgendwann keine Kriege mehr geben würde, weil Frauen sich den Soldaten verweigern und die dann ihr Unrecht einsehen würden. Gewaltloser Widerstand. Es sei nur noch eine Frage der Zeit.«
    Niemanden überraschte es, dass Karin Schneider und Thomas Belolavek schon mehrere Monate später heirateten. Und Jens' Befürchtungen trafen nur zum Teil ein: Thomas und er blieben enge Freunde. Sie wurden schließlich zusätzlich Geschäftspartner, so wie sie es geplant hatten. Sie gingen manchmal segeln und spielten zweimal in der Woche Tennis. Natürlich war es trotzdem nicht mehr das Gleiche.
    »Sondern? Wie war es?«
    Eben anders. Karin spielte ab jetzt die Hauptrolle in Thomas' Leben. Es gab kaum noch gemeinsame Kneipenbesuche, kaum noch ausufernde Gespräche über Politik, Philosophie, Börse und das Auf und Ab der IT-Branche. Jens führte im Wesentlichen sein Leben weiter, mit wechselnden Freundinnen. Thomas wurde Familienvater. Karin und er bekamen eine Tochter, ihr erstes und einziges Kind. Danach hatte Thomas noch weniger Zeit.
    »Maria Belolavek?«
    »Ja. Maria war - ist - ein bezauberndes Mädchen, das muss man schon sagen. Hochintelligent, hübsch, sensibel, geistig sehr weit für ihr Alter. Vielleicht ein bisschen schüchtern. Früher jedenfalls. Wissen Sie, wie es ihr geht? Wo sie ist?«
    »Nein. Sie ist verschwunden, genau wie ihre Mutter.«
    »Ich versteh das nicht.«
    »Wir auch nicht. Deswegen sind wir hier. Wir brauchen alle Informationen, die wir über die Familie Belolavek bekommen können.«
    Zimmermann zog an seiner Zigarette, legte den Kopf in den Nacken und blies den Rauch gegen die Decke. Dann sah er Mona an. Zum ersten Mal fielen ihr seine Augen auf, die jetzt nicht mehr gerötet waren. Sie waren schön, mit langen Wimpern und einem warmen, selbstbewussten Ausdruck.
    »Wissen Sie, irgendwie hab ich das Gefühl, ich soll Ihren Job erledigen. Sie wollen, dass ich Ihnen die eine, die richtige Erklärung serviere. Die hab ich aber nicht. Das alles ist völlig irre in meinen Augen. Ich habe keine Ahnung, was zwischen den beiden abgelaufen sein könnte. Karin war eine ganz normale Frau, Thomas ein ganz normaler Ehemann und Vater. Sie waren im Grunde eine...«
    »...ganz normale Familie.«
    »Ja. Tut mir Leid, mehr weiß ich einfach nicht.«
    »Hatte Belolavek Affären? Schulden? Irgendwelche Probleme, die er Ihnen mitgeteilt hat? Alles, was in den letzten ein, zwei Jahren passiert ist, kann relevant sein.«
    »Nichts. Keine anderen Frauen, soweit ich weiß. Traue ich ihm auch nicht zu. Schulden? Thomas doch nicht, nie im Leben. Und über Probleme haben wir nie gesprochen. Ich hatte auch nie den Eindruck, dass da welche wären.«
    »Und wenn, hätte er sie nicht mit Ihnen besprochen?«
    »Wahrscheinlich nicht. Er redete nicht viel über sich. Ich hab das immer akzeptiert, seine Zurückhaltung in solchen Sachen. Er war eben so.«
    »Gab es eine andere Person, der er sich vielleicht eher anvertraut hätte?«
    »Theoretisch ist das möglich. Aber ich glaub's eigentlich nicht. Karin und Thomas hatten nicht besonders viele Freunde. Sie brauchten das nicht. Sie waren sich selbst genug.«
    »Hatte sie vielleicht einen anderen?«
    »Einen anderen Mann? Karin? Nie!«
    »Sie klingen da sehr sicher.«
    »Da bin ich mir auch sicher. Karin flirtet nicht in der Gegend herum.«

Kapitel 6
    Erde zu Erde, Fleisch zu Fleisch. Calliphora, die Schwarze mit den roten Bäckchen, hat ihre Eier abgelegt, und sie ist erschöpft. Sie hat Lucilia, die Grüne, auf Grund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit fast zur Gänze verdrängt und ist jetzt müde von den Anstrengungen. Sie ist nicht einmal mehr im Stande, zu fliegen. Sie kriecht langsam weg von dem Körper, der sie nun nicht mehr interessiert. Sie hat ihn auserkoren als Nahrungsquelle ihrer Brut und ist nun frei aller Verpflichtungen.
    Ein paar Stunden lang passiert nicht viel. Die Nacht endet, der Tag beginnt. Ein heißer Tag. Calliphoras cremefarbene Töchter sprengen die zarte, fast durchsichtige Eihülle und beginnen zu fressen. Augäpfel, die inneren Schleimhäute von Mund und Nase, blutende, nässende Wunden sind ihr Revier. Die Haut ist - im Moment - zu hart und zu trocken für sie. Noch sind sie winzig klein, schwach und ganz dünn. Alle zusammen bilden sie eine schleierartige Schicht, die man anfangs leicht

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