Untreu
mich danach in deinem kleinen Bad im Spiegel an: eine um zehn Jahre verjüngte Frau mit glatter, schimmernder Haut und einem straffen Körper. Ich duschte selig. Ich war wieder Mitte zwanzig. Ich hatte Sex und genoss ihn.
Aber jetzt bin ich in einer anderen Stimmung. Ich versuche, mir all das vorzustellen, und ich schaffe es nicht. Ich liege auf dem Bett, ich schließe die Augen, ich streichle mich. Umsonst, ich bin trocken. Es ist, als hätte mein Körper schon wieder vergessen, dass es dich gibt, dass es das Glück gibt, dass es die Hemmungslosigkeit gibt - und zwar für mich. Mich? Meine Haare sind wieder ohne Glanz, meine Augen trübe, meine Haut fleckig. Du hast mich verwandelt, aber der Zauber hält immer nur einen Tag, wie im Märchen. Das macht mich abhängig. Das ist nicht gut für uns, für unsere Beziehung. Du brauchst eine starke Frau, kein jammerndes kleines Mädchen. Die kannst du an jeder Straßenecke haben.
Mich nicht. Das muss ich mir immer wieder vorsagen: Ich bin etwas Besonderes, Einzigartiges für dich. Ich bin nicht austauschbar.
Ich hoffe, dass ich es nicht bin. Du gibst mir das Gefühl, dass ich es nicht bin. Ich würde dich gern rund um die Uhr bewachen, um mir selbst zu beweisen, was ich dir bedeute. Wie gut, dass das nicht geht. In solchen Momenten bin ich froh über meine Verpflichtungen, die mich von derart wahnhaften Aktionen abhalten. Hätte ich Zeit, ich wäre die geschickteste Spionin und die ausdauerndste.
Es war halb eins, als Mona und Fischer ins Dezernat zurückkehrten. Auf ihren Schreibtischen lagen mehrere Zettelhaufen. Es ging um Telefonate hilfreicher Bürger, die sich zu dem Fall Belolavek gemeldet hatten. Die Polizeiobermeister Helmut Schmidt und Karl Forster waren beauftragt worden, aus der erwarteten Flut an Anrufern diejenigen auszusieben, die als brauchbare Zeugen in Frage kamen.
Die Pressestelle der Mordkomissionen hatte zwei Fahndungsfotos von Karin und Maria Belolavek an Presseagenturen und überregionale Medien herausgegeben. An folgenden Orten waren die beiden in den letzten anderthalb Tagen gesehen worden: im Hauptbahnhof Lübeck, wo Maria Belolavek Freier ansprach, an einer Seilbahnstation in Garmisch (Maria Belolavek gemeinsam mit einer Frau, die sich mit einem Kopftuch und einer Sonnenbrille maskiert habe, aber dennoch ausgesehen habe wie Karin Belolavek), bei einer Strandwanderung auf Rügen, in Paris, in Hamburg, in Dresden am Zwinger, in einem toskanischen Dorf, dessen Namen die Anruferin vergessen hatte.
»Sie könnten überall sein«, sagte Mona zu Fischer. Sie saß auf der Kante ihres Schreibtischs und rauchte eine von Fischers Marlboros. »Vielleicht bei einer Freundin, die sie deckt. Vielleicht schon im Ausland. Sie könnten sich die Haare gefärbt oder abgeschnitten haben. Sie könnten tot sein.« Sie blätterte zum x-ten Mal das Fotoalbum durch, das sie im Haus des Opfers sichergestellt hatten. Das Album war ein knappes Jahr alt, Thomas Belolavek hatte alle Bilder datiert. Karin Belolavek wirkte darauf sehr schlank, sie hatte einen blonden Pagenkopf, ein zartes Gesicht mit schmalen Lippen, kleiner Nase und blauen Augen. Ihre Tochter Maria sah ihr ähnlich, nur waren ihre Haare länger. Zimmermann hatte sie schüchtern genannt. So sah sie eigentlich nicht aus. Eher munter, hübsch und intelligent.
»Hunderttausend«, sagte Fischer in Monas Überlegungen hinein.
»Was?«
»Sechzigtausend hat sie vom Konto ihres Mannes abgehoben. Heute hat sich die Stadtsparkasse bei uns gemeldet. Bauer hat das Gespräch angenommen. Er sagt, sie hat dort ein eigenes Konto. Dreiundvierzigtausend und ein paar Hunderter. Sie hat alles leer geräumt. Konto aufgelöst. Die ist nicht tot. Die ist unterwegs.«
»Die Stadtsparkasse kommt auf uns zu. Das ist ja ganz was Neues. Woher hatte sie das Geld?«
»Eine Erbschaft, sagen die. Von ihren toten Eltern. Das Geld, haben die von der Bank gesagt, blieb jahrelang praktisch unberührt. Gammelte auf einem Sparkonto rum, mit zwei Komma fünf Prozent Zinsen. Demnach hat sie jetzt hunderttausend in bar. Damit kommen die beiden auf einer netten griechischen Insel jahrelang über die Runden. Kaufen sich ein Häuschen, leben von Oliven und Wein.«
Mona lachte überrascht. »Du bist ja ein Romantiker.«
Fischer grinste. Er kippelte auf Monas Stuhl, die Hände in den Taschen seiner Jeans. »Wollen wir schnell was essen gehen? Ist eh keiner da im Moment.«
»Kebab?«
»Okay.«
Sie fuhren mit dem Lift ins Erdgeschoss und gingen
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