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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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gefärbt. Sie wirkte sehr jung, sehr sexy. Mona bemerkte die Wirkung, die das auf Fischer hatte, wie seine Miene weicher wurde und er sich unwillkürlich in Positur setzte. Die Sekretärin lächelte ihn an, als sie ihm den Espresso hinstellte.
    »Danke, Claudia«, sagte Zimmermann.
    »Soll ich den Termin mit Digital canceln?«, fragte sie.
    »Wann ist der?«
    »Um zehn.«
    »Ja. Verschieben Sie ihn auf zwölf. Geht das?«
    »Ich denk schon. Ich sag Bescheid, wenn nicht.« Sie verließ das Zimmer.
    »Sie haben nichts dagegen, wenn dieses Gespräch aufgenommen wird?«, fragte Mona.
    »Nein.«
    »Okay. Wir müssen das abklären. Ist Vorschrift.« Sie schaltete den Rekorder ein, sprach ihren Namen, Fischers Namen, den Namen Zimmermanns, Ort, Zeit und Datum auf.
    »Sie machen hier was?«, fragte Mona, um ihn zu lockern. Sie hoffte, dass Fischer ihr den Anfang überließ, den Mund hielt und nicht wieder ungeduldig wurde.
    Zimmermann fuhr sich kurz mit der flachen Hand über das Gesicht. Er gab sich sichtlich Mühe, sich zu sammeln.
    »Ich meine, Ihre Tätigkeit hier. Was Ihre Firma macht - herstellt, was immer«, sagte Mona.
    »Ja. Schon klar.« Langsam fühlte sich Zimmermann wieder auf sicherem Terrain. »Also, wir stellen selbst nichts her, wir sind Zwischenhändler mehrerer amerikanischer und deutscher Softwarefirmen. Wir haben uns auf Kunden aus der Architekturbranche spezialisiert. Die brauchen spezielle Software für Bauzeichnungen, 3-D-Animationen et cetera. Wir kümmern uns darum.«
    »Sie beraten und beliefern diese Kunden?«
    »Ja. Das hab ich Ihrem Kollegen aber schon am Telefon gesagt.«
    »Okay. Seit wann kennen - kannten - Sie Thomas Belolavek?«
    »Seit dem Studium. Seit ungefähr 88. Wir wollten immer was zusammen auf die Beine stellen. 93 haben wir ›Architecture & com‹ gegründet.«
    »Ihre Firma.«
    »Ja. Heute heißt sie ›Architecture.com‹. Wie unsere Homepage.«
    »Und Ihre Geschäfte laufen gut?«
    »Ja, wir haben uns früh genug spezialisiert, das war unser Glück. Wir haben feste Kunden, die sich auf uns verlassen. Natürlich gab es Rückgänge. Aber wir sind gut klargekommen bis jetzt.«
    Schweigen. Zimmermann war aufgestanden, hatte sich mit dem Rücken zu ihnen ans Fenster gestellt. Mona und Fischer wechselten Blicke. Dann sah Mona, dass er weinte. Sie legte eine warnende Hand auf Fischers Arm. »Lassen Sie sich Zeit«, sagte sie zu Zimmermanns Rücken.
    Die Wunden würden verheilen, Narben würden bleiben. Eine davon: die Unfähigkeit zu vergessen, dass der Tod allgegenwärtig war.
    Zimmermann versuchte zu sprechen und brach erneut in Tränen aus.
    »Entschuldigung. Ist mir wirklich peinlich.«
    »Wir können später wiederkommen«, sagte Mona und hoffte, er würde nicht darauf eingehen. Sie hatten keine Zeit für so was. Mona spürte Fischers zornigen Blick.
    »Nein«, sagte Zimmermann. Seine Stimme war heiser, aber gefasst. »Wir können anfangen.« Er setzte sich wieder hin.
    »Gut«, sagte Mona erleichtert.
    »Thomas war ein wirklich guter Freund«, begann Zimmermann. »Ich vermisse ihn wahnsinnig.« Er holte tief Luft.
    Das hörte sich gut an. Endlich ein Mensch, der Belolavek kannte.
    »Das verstehe ich. Dass Sie ihn vermissen, meine ich. Dass das schlimm für Sie ist.«
    »Wer hat ihn so... Wer war das?«
    »Das wissen wir eben noch nicht. Wir wissen überhaupt zu wenig über ihn. Deswegen sind wir ja bei Ihnen.«
    Thomas M. Belolavek: ein Spätzünder. Er kam erst mit achtundzwanzig Jahren auf die Uni, in einem Alter, in dem andere Informatiker längst auf Jobsuche waren. Jens Zimmermann war sechs Jahre jünger als er. Trotzdem entwickelte sich eine spontane Zuneigung zwischen den beiden, das Gefühl, sich aufeinander verlassen zu können. Sie bearbeiteten gemeinsame Uniprojekte und verbrachten - beide waren damals Singles - einen großen Teil ihrer Freizeit miteinander. Sie spielten Tennis, gingen segeln, machten einen gemeinsamen Urlaub in Kalifornien, träumten von einer gemeinsamen Karriere in Silicon Valley, sahen sich dort einige Firmen an, bekamen sogar einige reizvolle Angebote, bewarben sich aber dann doch nicht.
    Das lag vor allem an Thomas. Als es darauf ankam zu handeln, ihre Träume umzusetzen, schien seine Begeisterung spürbar nachzulassen. Ein Leben in Amerika, weit weg von zu Hause, lag möglicherweise - sie sprachen nie darüber - außerhalb seines seelischen Horizonts. Dabei war er einer der Begabtesten, trotz seines Alters. Er schaffte sein Studium in

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