Untreu
verschlingen und nicht mit ihr zu kommunizieren? Oder hielt er aus purer Unfähigkeit und Fantasielosigkeit den Mund?
Oder lag es an ihr?
Ihre Kollegen, hatte sie beobachtet, verständigten sich hauptsächlich durch Witze. Einer erzählte, alle lachten, dann kam der nächste dran, toppte die Anekdote mit einer noch schärferen, dann wieder dröhnendes Gelächter und so fort. Auf diese Weise brachten sie ganze Bereitschaftsdienste herum. Mona konnte sich keine Witze merken, und wenn sie mal versuchte, einen wiederzugeben, endete das meistens in höflichem Gelächter.
Vielleicht lag es also an ihr.
Fischer wischte sich die Finger an einer ihrer Servietten ab und gähnte. »Weißt du was, ich hasse diesen Zwiebelgeruch. Ich meine, ich mag den Geschmack, aber ich hasse den Geruch danach an den Händen. Bescheuert, was? Da stopft man sich dieses Zeug rein, und weiß genau...«
»Lässt sich vermeiden, wenn man Messer und Gabel benutzt.«
»Ja, Mutti.« Fischer gähnte wieder, ließ seinen Blick unruhig durch das Lokal schweifen. Er sah blass und gestresst aus. Im Moment waren sie fast allein. Der Verkäufer war in einen Raum hinter der Theke verschwunden. Sie hörten ihn gedämpft auf Griechisch schimpfen.
»Wir sollten langsam mal zurückgehen.«
»Okay, Mutti.«
»Hör jetzt auf mit dem Blödsinn. Hör einfach auf.«
»Ja, M...«
»Aufhören!« Sie war einfach nicht schlagfertig genug. Sie war zu langsam, zu bedächtig, sie hatte zu viele Skrupel. Fischer nahm sich manchmal ziemlich viel heraus. Zu viel? Wer entschied das?
Du
, sagte eine Stimme in ihrem Kopf.
Du bestimmst das, du bist der Chef. Also los!
»Wir gehen jetzt, und du gibst Ruhe, sonst schreibst du das Protokoll der Konferenz. Klar?«
Und Fischer machte tatsächlich den Mund zu. Jeder hasste es, Protokolle zu schreiben, und ganz besonders er. Was übrigens gut zu wissen war.
»Ich will mir den Tatort noch mal anschauen. Kommst du mit?«
»Nee danke. Ich kenn das alles.«
Schon von weitem sah man dem Grundstück die Zerstörung an. Mona parkte den Wagen neben dem weiß getünchten, jetzt völlig verschmutzten Holzzaun. Sie hatten ganze Arbeit geleistet. Der Rasen, so er noch bestand, war eine schmuddlige braungrüne Masse und an vielen Stellen aufgegraben. In einer der Gruben stak noch ein vergessener Spaten. Ein kleiner, entlaubter Apfelbaum lag vollständig entwurzelt neben dem mit Terrakottaplatten belegten Eingangsbereich. Mona öffnete die Gartentür. Es regnete nicht mehr, aber die Luft war immer noch so kühl und feucht, dass sich ihre Haare kräuselten.
Sie wusste nicht, wonach sie suchte. Es ging vielleicht nur darum, sich überhaupt einen Eindruck zu verschaffen: So hatten die Belolaveks gelebt, bevor alles vernichtet wurde, was sie sich aufgebaut hatten.
Sie ging um das Haus herum, das inmitten der hinterlassenen Verwüstung wie eine friedvolle Insel stand. Von außen immer noch intakt, sauber und adrett. Ein Haus, wie es sich viele Familien wünschten und sich die wenigsten leisten konnten, nicht zu groß, nicht zu klein, mit charmanter Backsteinfassade und weiß eingefassten Fensterrahmen in erstklassiger Lage.
Der Garten auf der anderen Seite bot kein besseres Bild. Herausgerissene Rhododendronsträucher, kaputte Rosenstöcke, zertrampelte Beete. Und ein Haufen Bretter, wo einmal der Schuppen gestanden hatte - das seltsame Grabmal Thomas Belolaveks. Weder im Haus noch im Inneren des Schuppens waren DNA-Spuren gefunden worden, kein Blut, nirgends. Möglicherweise war der Garten also der Tatort. Das war aber nach der Liegezeit und dem vielen Regen selbst mit den neuesten Methoden nicht mehr verifizierbar.
Bevor das Wetter im September urplötzlich umgeschlagen hatte, war es ein heißer, trockener Sommer gewesen. War es denkbar, dass eine Frau ihren körperlich sicherlich kräftigeren Mann im Garten erstach - etwa an einem Spätsommerabend, wo sie damit rechnen musste, dass sich das halbe Viertel im Freien befand?
Was war mit dieser unauffälligen, freundlichen Familie passiert und ihrem unspektakulären Dasein? Wer von den Mitgliedern hatte den Keim der Zerstörung gelegt? Einer, beide, alle drei? Oder doch Fremdverschulden? Ein Racheakt oder ein Raubmord, bei dem der Mörder kalte Füße bekommen hatte und deshalb Geld und Wertsachen unberührt ließ? Mona kniete sich neben die mit Plastikplanen überdeckte flache Vertiefung, in der noch Abdrücke eines menschlichen Körpers zu erkennen waren. Beine, Arme, Rumpf und
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