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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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Kopf.
Madenfraß
. Mona überkam eine leichte Übelkeit. Er hatte hier gelegen wie ein moderndes Stück Holz, so, als hätte es ihn nie gegeben. Tot und vergessen von der Welt. Von niemandem vermisst. Das Gesicht nicht mehr zu erkennen, die Augenhöhlen leer, die Lippen bis über die Zähne verwest. Ausdruckslos.
Zerfressen
. Ein würdeloses Ende.
    Mona fühlte sich plötzlich sehr allein in diesem Garten, in dem Tod und Verwesung auf so aufdringliche Weise Einzug gehalten hatten. Am Himmel ballten sich schwarze Wolkengebirge. Es hatte wieder angefangen zu regnen. Dieser Garten, dachte sie plötzlich, war ein verzauberter Garten. Er strahlte Unglück und Gefahr aus, aber die Belolaveks hatten das zu spät gemerkt. Da war das Gift bereits in ihren Adern, eroberte ihr Wesen, tötete...
    Mona schüttelte den Kopf und schlug die Gartentür hinter sich zu.

Kapitel 7
    Easy come, easy go... Let me blow ya mind.
Maria Belolavek trägt eine enge Hose, die ein gutes Stück unterhalb ihres Bauchnabels endet, ein enges Top mit Spaghettiträgern, einen Calvin-Klein-Slip, dessen schwarzer Gummizug hervorlugt, und schwarze Nikes wie Gwen Stefani. Sie wiegt sich beim Gehen in den Hüften wie Gwen. Gwen und ihre Freundin gehen auf eine vornehme Party voller alter Leute und mischen sie auf
. It took a while to get me here and I took my time...
Die Sonne brennt heiß auf Marias Schultern, in ihren Ohren dröhnt der Sound von Gwen, die ihre Party im Knast zu Ende feiern muss. Aber natürlich kommt ein Freund und löst sie mit einer Reisetasche voller Dollars aus.
    Maria ist auf dem Heimweg. Es ist Ende Mai, und nichts deutet auf das hin, was später passieren wird - mit ihr und ihrer Familie, mit ihrem ganzen Leben.
    Nichts. Jedenfalls nichts direkt Wahrnehmbares.
    Aber einige Veränderungen gibt es, die sie nicht einordnen kann.
    Maria weiß nicht mehr, wie sie als Kind war. Sie will es auch nicht wissen, denn sie betrachtet sich jetzt nicht mehr als Kind, und was früher gewesen ist als jetzt, interessiert sie nicht. Jetzt ist sie fünfzehn, ein Meter dreiundsechzig groß und wiegt 48,5 Kilo auf der Elektronikwaage ihrer Eltern. Ihre Haare sind lang und blond und auf eine Weise Aufsehen erregend, die Maria noch nicht vollkommen versteht, die sie aber interessant findet. Manchmal fährt sie sich durch die Haare -
Mähne
, sagt ihre Mutter -, und sie spürt, dass das bei anderen etwas auslöst, das früher nicht vorhanden war - nicht in ihrem Leben. Jungs aus ihrer Klasse starren sie heimlich an, und immer häufiger wird sie von Fremden angesprochen. Fremde, die viel älter sind als sie, fragen sie, wo sie gerade hingeht, was sie heute noch vorhat, ob sie Lust auf einen Kaffee hat. Sie sagt immer nein, teils aus Verwirrung, teils aus Unlust. Und dann weiß sie auch gar nicht, was man miteinander reden soll, wenn man sich nicht kennt und einander in einem Café gegenübersitzt. Wo soll man da anfangen?
    Sie ist verblüfft über solche Annäherungsversuche und bekommt dann wieder Angst vor ihrer neu erworbenen Macht. Etwas daran ist nicht echt, nicht wirklich stabil: von Umständen abhängig, die sie nicht steuern kann. Maria hat gern alles unter Kontrolle. Aber ihre Macht wächst unkontrollierbar wie ein Krebsgeschwür, und vielleicht verpufft sie eines Tages wie die Luft aus einem maroden Ballon.
    Maria drückt auf die Vorlauftaste ihres CD-Walkmans. Sie steht mitten auf dem Bürgersteig und schwingt im Rhythmus des nächsten Songs. Es ist ihr egal, ob ihr jemand dabei zusieht. Ohnehin ist die Straße wie ausgestorben. Sie ist gesäumt von hohen Hecken, üppig belaubten Bäumen, blühenden Rhododendronbüschen. Maria liebt diese Straße - ihre Straße. Sie lebt seit zwei Jahren in dem Backsteinhaus mit den weißen Fenster- und Türrahmen, das ihre Eltern gemietet haben, obwohl sie lieber eins gekauft hätten. Aber es gab keins zu kaufen, das ihnen allen dreien gefallen hätte, außer eben diesem, und das ist nur zur Miete. Sie sind glücklich darin.
    Sie sind eine glückliche Familie. Im Grunde.
    Ihr Vater ist zum Beispiel perfekt. Früher, daran erinnert sie sich vage, konnte er nicht viel mit ihr anfangen, aber jetzt fühlt sie sich in seiner Gegenwart wie eine Erwachsene. Sie diskutieren jeden Abend beim Essen über Politik, Literatur, Naturwissenschaften und Zeitungsartikel, die er ihr extra ausgeschnitten hat. Ein-, zweimal im Monat gehen sie am Wochenende gemeinsam ins Kino und sprechen danach ausführlich über den Film. Er kann

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