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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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wollen Sie Rechenschaftsberichte.«
    »Hat Sie keiner gezwungen herzukommen.«
    Aber Selisch hatte sich bereits von ihr abgewandt und balancierte durch die Berg-und-Tal-Bahn des Gartens. Mona lief hinter ihm her.
    »So können wir nicht zusammenarbeiten«, sagte sie atemlos, als sie wieder vor dem Auto standen.
    Selisch antwortete nicht. Schweigend stieg er auf der Beifahrerseite ein.
    »Ich rede mit Ihnen«, sagte Mona, während sie den Wagen startete.
    »Ist mir nicht entgangen.«
    »Hören Sie mal...«
    »Calliphora.«
    »Wer?«
    »Calliphora ist eine Fliegenart.«
    »Und?«
    »Ihr Vorhandensein beziehungsweise das Vorhandensein ihrer Maden könnte schon mal darauf hinweisen, dass die Tat nachts verübt wurde. Calliphora ist eher nachtaktiv im Gegensatz zu Lucilia, die eher tagsüber unterwegs ist.«
    »Ist das sicher?«
    »Wir schauen uns jetzt noch mal die Leiche an. Finden wir dort hauptsächlich Calliphora-Maden, können wir mit einer gewissen - ich sage: gewissen - Sicherheit davon ausgehen. Ich hoffe, sie haben die Leiche nicht gesäubert.«
    »Von Maden?«
    »Und Käfer- und Fliegenpuppen. Je nachdem.«
    »Lecker«, sagte Mona, und Selisch lächelte zum ersten Mal.
    Herzog war nicht im Institut, aber sein Assistent brachte sie zur Leichenkammer. Er zog die Schublade mit der tiefgekühlten Leiche Thomas Belolaveks auf. »Haben Sie sie gesäubert?«, fragte Selisch den Assistenten.
    »Nee. Hätten wir das tun sollen?«
    »Bloß nicht. Dann hätte ich hier gar nichts mehr machen können.« Selisch wandte sich an Mona. »Ich würde jetzt hier gern tätig werden. Allein, wenn's geht.«
    »Und ich wäre gern dabei. Wenn's geht.«
    Selisch seufzte, als sei er diese Art von Renitenz gewöhnt. »Ich arbeite lieber allein, ist so eine Marotte von mir. Ich erstatte Ihnen heute Abend Bericht. Alle Details. Versprochen.«
    Mona dachte, dass Berghammer Recht behalten hatte. Dieser Mann war ein arroganter, verhaltensgestörter Wissenschaftler ohne einen Schimmer von professioneller Tatortarbeit, und er half ihnen bestimmt keinen Schritt weiter. Aber nun war er einmal hier, und ihr blieb nicht viel übrig, als der Sache erst mal ihren Lauf zu lassen.
    »Heute Abend sechs Uhr in meinem Büro. Klar?«
    Selisch beugte sich über die Leiche und schien nichts um sich herum mehr wahrzunehmen.
    »Sechs Uhr. KLAR??«
    »Sechs Uhr stehe ich stramm bei Ihnen«, murmelte Selisch, ohne den Kopf zu heben. Der Assistent begleitete Mona zum Lift nach oben. »Was will der?«, fragte er neugierig.
    »Ein Insektenforscher. Forensischer Entomologe.«
    »Aha.«
    »Er kann die Liegezeit einer Leiche bis auf den Tag genau bestimmen. Behauptet er.«
    »Aber doch nicht bei einer Faulleiche wie der da.«
    »Doch. Er sagt, das geht. Nicht tausendprozentig, aber er sagt, man kann das so eingrenzen...«
    »Und wie macht er das?«
    »Die Besiedelung durch Insekten. Er hat das studiert. Er weiß, wie lang die Maden sind, wenn sie sich so und so lange auf einer Leiche befinden, wann sie sich verpuppen und so weiter.«
    »Glaub ich nicht dran.«
    »Dann lassen Sie's bleiben«, sagte Mona. »Es ist einfach ein Versuch. Wir kommen im Moment anders nicht weiter.«
    War unsere Liebe anfangs ein reißender Fluss, so ist sie jetzt ein müdes, kraftloses Rinnsal. Es ist das eingetreten, wovor ich solche Angst hatte: Ich kann absehen, wann der Strom vollkommen versiegt, wann die Erde, die er befruchtet hat, an Austrocknung stirbt. Ich hasse dich für die Gefühle, die du in mir wachgerufen hast und nun nicht länger ernähren willst. Wie kannst du es wagen, dich meiner Liebe zu entziehen? Wie kannst du so tun, als hätte es die großartigen Versprechen nie gegeben?
Du
hast angefangen, von Ewigkeit zu sprechen, nicht ich!
Du
hast von gemeinsamen Kindern fantasiert, von einer Zukunft, in der ich nicht mehr lügen muss, um dich zu sehen!
    Ein Junge hat achtzehn Menschen in seiner Schule ermordet. Ich sehe die verstörten Menschen vor dem Schulgebäude, die Klassenkameraden, die sich weinend stützen, das Blumenmeer vor dem Portal, ich höre die stotternden, tränenerstickten Kommentare der Rektorin und die oberschlauen Erklärungsversuche all jener selbst ernannten Experten (meistens sind sie männlich), die versuchen zu begreifen, was für sie, diese bornierten, blockierten Theoretiker, doch ohnehin niemals zu begreifen sein wird: die Wildheit und Kraft lange gezügelter Emotionen, das explosive Potential unerwiderter Liebe, in Bitterkeit vergoren, mit Selbsthass

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