Unvermeidlich
schmeiße. „Wir waren auf dem Wasserspielplatz, wo sie sich völlig verausgabt hat.“ Sie hat meine Tochter am späten Nachmittag bei Ben abgeholt, damit der arme Kerl nicht den ganzen Tag mit ihr verbringen muss.
„Du bist ein Engel, Mama.“ Ich gebe ihr einen flüchtigen Wangenkuss und lasse mich auf den Sessel ihr gegenüber fallen. Wenn sie jetzt nicht da wäre, würde ich auch noch die Füße auf den Tisch legen.
„Alex war hier. Er wusste nicht, dass du Spätschicht hast. Anna hat ihn natürlich gleich eingespannt und dazu genötigt, mit uns zu Abend zu essen. Ich soll dir ausrichten, dass du ihn anrufen möchtest.“
„Okay“, sage ich, weil mich jedes weitere Wort zwingt, ihr von unserem Beinahe-Kuss zu erzählen. Es macht mich wahnsinnig, dass ich mit niemandem darüber reden kann.
Nachdem ich meine Mutter verabschiedet und Anna noch einmal zugedeckt habe, lege ich mich für einen Moment auf die Couch. Ich sehe mein Handy auf dem Tisch blinken. Jemand hat mir eine Nachricht geschickt und ich kann mir schon denken, wer der Absender ist.
- Noch wach? A. –
Hellwach und mit dem unglaublichen Wunsch, dich zu küssen. Aber wenn ich das schreibe, würde unser aller Leben aus den Fugen geraten.
- Ja, schon. Kann ich dich morgen anrufen? Ich bin total erledigt. D. –
Es ist bloß eine faule Ausrede, um diesen Anruf noch etwas hinauszuzögern. Ich habe die Befürchtung, er will über den Vorfall reden, doch das einzig Richtige ist, es unter den Teppich zu kehren und nie wieder darüber zu sprechen.
- Natürlich, Ela. Wenn du Lust und Zeit hast, komm stattdessen in der Mittagspause in die Praxis und wir trinken einen Kaffee. Unter vier Augen. -
Es ist offensichtlich eine schlechte Idee, aber ich kann ihm nicht ewig aus dem Weg gehen, also stimme ich zu. Außerdem würde es Anna das Herz brechen, wenn ich ihn aus unserem Leben verbanne.
4.
In Alex‘ Tierarztpraxis ist bereits Mittagspause, als ich mich mit zwei großen Pappbechern Milchkaffee und einem Karton voller Blaubeermuffins durch die angelehnte Tür schiebe. Seine Tierarzthelferin und die Auszubildende gehen während dieser Zeit nach Hause, sodass wir die Praxis für uns haben.
Ich fand die Geruchskombination von Desinfektionsmittel und nassem Hund immer merkwürdig und bin gleichermaßen fasziniert, dass Alex zu jeder Zeit sauber riecht. Obwohl er den ganzen Tag irgendwelche Kleintiere behandelt und auch an zwei Nachmittagen in der Woche auf verschiedenen Bauerhöfen unterwegs ist, merkt man ihm diese schmutzige Arbeit nie an.
„Hey, schöne Frau.“ Er kommt aus dem kleinen Aufenthaltsraum hinter der Empfangstheke auf mich zu und nimmt mir die Muffins ab. Vielleicht ist es nur eine Fassade, doch für ihn scheint es leichter zu sein, mich zu behandeln wie immer. Abgesehen davon, dass er mich als „schöne Frau“ betitelt. Aber das „Kleine“ hab ich ihm ja praktisch untersagt.
„Hey, Alex. Milchkaffee mit einem Schuss Haselnuss. Richtig?“
„Perfekt.“ Er küsst mich auf die Wange und legt mir die freie Hand auf den Rücken, um mich in den Aufenthaltsraum zu schieben.
„Stressiger Tag?“ Ich nehme die beiden Becher aus dem Getränkehalter und stelle sie auf dem Tisch ab.
„Nein, gar nicht.“ Neugierig lugt er unter den Deckel des Kartons. „Blaubeere?“, fragt er.
„Was sonst? Ich weiß doch, was du magst.“ Oh, dieser Satz war vor einer Woche noch viel weniger zweideutig.
Schelmisch grinsend sieht er mich von der Seite an. Am liebsten möchte ich ihm die Selbstgefälligkeit mit einer Ohrfeige aus dem Gesicht entfernen. Stattdessen setze ich mich hin und lege meine Füße auf einem der drei Stühle ab.
„Kommst du gerade von der Arbeit?“, fragt er und zeigt auf die Kaffeebecher.
„Nicht direkt. Ich musste nur meinen neuen Arbeitsvertrag bei Kati unterschreiben, weil wir das gestern ganz vergessen haben.“
„Arbeitsvertrag? Du hast doch längst einen.“ Er nimmt zwei Teller aus dem Schrank und stellt sie auf den Tisch zwischen uns, damit wir davon die Muffins essen können.
„Ja, schon. Aber keinen Vollzeitvertrag. Sie hat ihn mir gestern angeboten.“
„Das klingt toll. Oder nicht?“ Skeptisch beobachtet er mich, während er sich auf den freien Stuhl mir gegenüber niederlässt.
„Ich denke schon. Kati plant einige Veränderungen in der nächsten Zeit. Sie will den kompletten Laden umbauen und vergrößern. In den hinteren Bereich
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