Unvermeidlich
soll ein Lesecafé mit kleinem Antiquariat kommen. Dafür bin ich dann zuständig.“
Alex nimmt den Deckel von seinem Pappbecher ab und trinkt einen Schluck. Er hasst die Trinköffnungen dieser Becher.
„Ist es nicht das Richtige für dich?“
„Ja, ist es“, sage ich zögerlich. „Noch bin ich mit dem Gedanken nicht ganz warm geworden, doch letztendlich ist es genau das, von dem ich nicht wusste, dass ich es schon immer wollte. Glaube ich zumindest. Aber es bedeutet eine Menge Arbeit, worunter schlussendlich Anna leidet.“
„Ela, du weißt, dass ich für euch da bin. Ich helfe, so gut ich es kann. Wenn du keine andere Möglichkeit hast, kannst du sie auch hierher bringen. Anna liebt es, unsere kleine Assistentin zu spielen. Sie ist ein vernünftiges Mädchen und sie ist gerne hier. Ich würde das nicht jedem anbieten und auch sicherlich nicht für jedes Kind, doch mit ihr ist das kein Problem.“
Es wäre einfacher, wenn er genauso ein Arschloch wie Steffen wäre.
„Alex“, seufze ich. „So sehr ich deine Hilfe zu schätzen weiß, verstehe ich nicht, warum du so viel deiner wertvollen Freizeit für uns verschwendest. Du musst nicht ausbügeln, was dein Bruder regelmäßig verbockt.“
Seine Miene verfinstert sich, doch ganz genau weiß ich nicht, was ich gerade Falsches gesagt habe.
„Ela, wir sind Familie. Anna ist meine Nichte und ich hab die Kleine lieb. Hast du mal für 5 Sekunden daran gedacht, dass ich das nicht nur für euch tue? Ihr seid alles, was ich noch an Familie habe und ich verbringe gerne Zeit mit euch.“
„Entschuldige. So habe ich es nicht gemeint.“
Im Gegensatz zu Steffen war Alex‘ Aufmerksamkeit und Liebe nie an irgendwelche Bedingungen gebunden.
„Ich weiß.“ Er greift sich einen Muffin und zieht das Papier ab, bevor er einen großen Bissen nimmt.
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass dich die ganze Zeit mit uns davon abhält, eine eigene Familie aufzubauen. Du wirst ja auch nicht jünger“, sage ich mit einem Zwinkern.
„Danke für die Erinnerung.“ Gequält lächelnd schiebt er sich den Rest des kleinen Kuchens in den Mund.
„Du weißt, dass ich das nicht ernst meine.“ Heute sollte ich besser nichts mehr sagen.
„Es ist so, dass ich sehr genau weiß, was ich will. Nur kann ich es mir leider nicht einfach nehmen.“
Diese Worte fahren mir bis ins Mark, denn ich möchte glauben, dass sie an mich gerichtet sind.
„Wenn du das nicht bekommen kannst, dann solltest du versuchen, dich anderen Optionen zu öffnen.“
„Oh, glaub mir. Das hab ich versucht“, sagt er mit einem höhnischen Lachen.
Ich würde ihn gerne bitten, auf diese vagen Aussagen näher einzugehen, aber wenn es das ist, was ich befürchte und gleichzeitig hoffe, dann sollte es besser nie ausgesprochen werden.
Da ich nicht weiter nachbohre und stattdessen an meinem Muffin knibbele, ergreift er das Wort: „Habt ihr schon Pläne für Samstag? Ich möchte mit meinen Ladys an den See fahren und euch anschließend zum Pizzaessen einladen.“
„Gerne. Da wird Anna sich freuen.“ Und nicht nur sie. Denn Alex in Badeshorts, von der Sonnencreme glänzend … ich bin so was von geliefert.
Es ist kein Vergnügen, mit einem übermüdeten Kind in einem aufgeheizten Auto im Feierabendverkehr einen Parkplatz suchen zu müssen.
„Mama, ich hab Hunger“, nörgelt Anna neben mir, nachdem ich jetzt schon die dritte Runde um den Block drehe. „Außerdem muss ich trinken.“ Ehe ich mich versehe, schnallt sie sich ab und krabbelt auf die Rücksitzbank, um in meiner Tasche nach einer Wasserflasche zu kramen. Nur mit größter Beherrschung schaffe ich es, nicht zu explodieren und stattdessen an einer Bushaltestelle zu stoppen, um sie wieder nach vorne zu verfrachten.
„Schatz, das war gefährlich. Setz dich auf deinen Kindersitz und schnall dich an.“
Normalerweise schlage ich in solchen Situationen durchaus einen härteren Ton an, aber wir sind beide einfach nur fertig und das würde es nur verschlimmern. Sie ist müde, ich bin genervt. Das ist keine gute Kombination.
Außerdem muss ich mich jeden Tag aufs Neue daran erinnern, dass ich am Ende des Tages alles bin, was sie hat. Gerade deswegen kann ich nicht zur keifenden Furie mutieren, nur weil mir der Alltag über den Kopf wächst. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich ihr später noch ein paar Takte zu dieser Aktion sagen werde.
Erst eine Stunde nach ihrer Bettgehzeit schläft Anna endlich. Nach solchen Abenden habe ich oft das
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