Unvermeidlich
das offensichtlich nicht zum ersten Mal. Unsere Katze zuckt nicht mal unter dem Einstich und macht auch deswegen keine Anstalten, sich von Alex zu entfernen, als er die benutzte Kanüle fachgerecht in einem verschlossenen Plastikcontainer entsorgt.
„Schatz, jetzt wird es aber Zeit fürs Bett. Geh schon mal Zähne putzen. Ich komme gleich noch und sag dir gute Nacht.“
„Aber Mama …“
„Nichts aber“, würge ich ihr allabendliches Nörgeln ab. „Ab ins Badezimmer.“
„Alex hat versprochen, dass er mir etwas vorliest.“ Empört stampft sie mit dem Fuß auf.
Fragend sehe ich zu Alex. „Hat er“, bestätigt er mit einem entschuldigenden Schulterzucken, während er seine Utensilien in die Tasche packt.
„Okay. Macht nicht zu lange.“ Ergeben räume ich die Reste des Abendessens vom Tisch. Anna flitzt ins Badezimmer, vermutlich in der Angst, dass ich es mir anders überlege.
Ich stehe am offenen Kühlschrank, als er einen Arm um meine Schultern schlingt und an meiner Halsbeuge tief einatmet.
„Denk an Anna“, erinnere ich ihn, obwohl ich es viel zu sehr genieße, ihn nah zu spüren.
„Sie ist im Bad und malt wahrscheinlich gerade Strichmännchen aus Zahnpasta ins Waschbecken.“
Er kennt jede Unart meiner Tochter. Dinge, die eigentlich ein Vater wissen sollte.
„Machst du uns einen Tee?“, fragt er leise. „Dann bin ich gleich wieder bei dir.“
Ich nicke nur, aber umdrehen kann ich mich nicht, sonst würde er meine Tränen sehen.
Manchmal wünsche ich mir, er würde mir sagen, dass es einen Weg gibt. Auch wenn es eine Lüge ist.
Auf der Seite zusammengerollt liege ich auf der Couch und warte auf Alex. Die Teetassen vor mir sind nur noch lauwarm und meine Lider werden allmählich schwer, als ich endlich höre, wie sich Annas Zimmertür schließt.
„Dir ist bewusst, dass sie dich völlig im Griff hat, oder?“, frage ich, als er mit den Händen in den Hosentaschen vor mir stehen bleibt.
„Na, das hoffe ich. Ihre Mama hat das ja schon geschafft.“ Er streichelt über meinen Oberarm, macht aber keine Anstalten, zu mir zu kommen.
„Du willst bestimmt nach Hause.“ In der Hoffnung, dass er noch etwas bleibt, ziehe ich die Beine an, damit er sich setzen kann.
„Wie kommst du darauf?“ Er nimmt meine wortlose Einladung an und setzt sich auf den freien Platz.
„Weil du wahnsinnig viel Zeit mit uns verbringst.“
„Fängst du schon wieder an?“ Er nimmt meine Füße auf seinen Schoß und zählt meine Zehen.
„Hör auf damit!“ Ich ziehe sie weg und setze mich auf.
„Warum?“ Grinsend beugt er sich runter und greift nach meinen Fußgelenken.
„Ich warne dich. Mit meinen Zehen willst du dich nicht näher befassen.“ Hastig ziehe ich die Beine hoch und verstecke die Füße unter meinen Hintern.
„Warum? Weil du Hobbitfüße mit Drahthaaren auf den Zehen hast?“
Wie bitte? Das kann er nicht wissen. Ich habe immer sorgfältig darauf geachtet, meine nackten Zehen nur enthaart zu zeigen.
„Woher weißt du das? Rede ich im Schlaf?“
Alex schüttelt lachend den Kopf. „Kannst du dich wirklich nicht mehr erinnern?“
„Woran?“ Niemals würde ich mein schmutzigstes Geheimnis preisgeben.
In aller Seelenruhe nimmt er seine Tasse vom Tisch, verzieht aber angeekelt das Gesicht, als er bemerkt, dass der Tee schon kalt ist.
„Erinnerst du dich nicht an die Party, von der ich dich damals mal abgeholt habe? Du müsstest ungefähr 17 gewesen sein. Du warst so betrunken, dass du dich nicht getraut hast, deinen Bruder anzurufen, der dich eigentlich abholen wollte.“
„Das erklärt nicht meine Füße.“
„Du hast geheult und geflucht, weil Steffen dich auf dieser Party links liegen gelassen hat, um mit anderen Weibern zu tanzen. Und dann hast du mir verkündet, dass das sicher nur an den drahtigen Haaren auf deinen knubbeligen Zehen liegt. Kurz bevor du aus dem Fenster auf der Beifahrerseite gekotzt hast.“
„Daran habe ich keine Erinnerung. Ich weiß noch, dass du mich abgeholt hast, aber mehr nicht.“ Beschämt lege ich die Hände vors Gesicht, doch Alex zieht sie gleich wieder weg, um mich anzusehen.
„Damals hat es angefangen. Meine Gefühle für dich. Ela, ich hab mich so schuldig gefühlt.“
„Alex …“, seufze ich. Unter normalen Umständen habe ich keine Probleme, meine Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Aber wenn ich es ihm gegenüber ausspreche, wird alles nur noch komplizierter.
Alex nickt und verschränkt unsere Finger miteinander, nur um sich
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