Unwiderstehlich (German Edition)
Unter einigen Schss und Pssts drängelten sich plötzlich alle in die Wohnung. Völlig konsterniert standen alle im engen Flur und starrten sich gegenseitig an.
»Was macht ihr hier? Ich hab doch überhaupt nicht angerufen!« Susa war es etwas peinlich. Das Vorgefallene war so offensichtlich.
»Wir haben die Gardine gesehen. Und als dann niemand ans Telefon gegangen ist, da haben wir uns Gedanken gemacht. Und wo zum Teufel …« Mit offenem Mund starrte Roger den Italiener an, als hinter ihm plötzlich ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde. Alle drehten sich zur Wohnungstür.
Ein unscheinbarer Mann öffnete die Wohnungstür von außen. Er hielt zwei prall gefüllte Stofftaschen in seinen Händen und trug zu einem Hemd mit einem schrecklichen Muster eine graue Flanellhose. Sein rundliches Gesicht wurde von einer Mireille-Mathieu-Gedächtnisfrisur umrahmt. Er blickte überrascht auf die Menschenmenge, die sich in seinem Flur versammelt hatte. Einen Moment lang sagte niemand etwas.
Doch das Gesicht des Mannes leuchtete erfreut auf. »Roger? Gregor? Und Jürgen! Wie schön, dass ihr gekommen seid. Roger, das ist Alessandro, mein jüngerer Bruder. Er ist seit einer Woche da, um mit mir meinen Geburtstag zu feiern … Alessandro, das ist mein alter Freund Roger! Vielleicht erinnert ihr euch noch. Alessandro ist doch mit zwanzig wieder zurück nach Rom gegangen, um dort zu studieren. Ach, und Sie müssen die Putzfrau sein.« Umständlich nahm er eine Tasche in die andere Hand und streckte Susa höflich seine Hand entgegen.
»Äh … ja. Genau. Die Putzfrau.« Etwas verlegen schüttelte sie die Hand des Geburtstagskindes.
»Sind Sie schon fertig? Ich glaube, sonst würde es eher ein andermal besser passen, was?« Massimo blickte sie freundlich an. Er schien als einziger Mann nicht zu bemerken, dass eine ihrer Brüste weiter aus dem Dekolleté schaute als die andere.
»Ähm … nein. Ich bin schon fertig … Ich glaub, ich geh dann besser mal.« Schnell angelte sie sich ihren Trenchcoat von der Garderobe und drückte sich zur Tür hinaus. Hinter sich hörte sie, wie der richtige Massimo sagte: »Warum steht ihr alle im Flur? Kommt doch rein. Ich hab so leckere Sachen eingekauft. Echte italienische Antipasti.«
Keuchend blieb Susa auf dem nächsten Treppenabsatz stehen. Sie beugte sich über das Metallgeländer und hielt sich fest. Sie atmete ein paarmal tief durch, bis sie hinter sich Schritte hörte.
Roger stand neben ihr. »Ich sehe, du hast vollen Einsatz geleistet. Du hast sie dir redlich verdient.« Mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck hielt er ihr den Schlüssel hin. »Er ist vollgetankt, aber bitte, bitte! Fahr nicht zu schnell.«
Wieder hörte sie Schritte, und beide drehten sich um. Auf dem höheren Treppenabsatz stand Alessandro. Er blickte Susa fragend an.
»Ich geh dann mal besser.« Roger nahm zwei Stufen auf einmal und warf noch einen interessierten Blick auf Alessandro. Dann war er blitzschnell in der Wohnung verschwunden, und die Tür schloss sich hinter ihm.
Als sie alleine waren, grinste Susa breit und hielt die Hand hoch. Zwischen ihren Fingern baumelten die Wagenschlüssel. »Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit nach Rom, Alessandro? Ich fahre morgen früh!«
Die Zauberflöte
B einahe zu spät. Renata hetzte den Gang entlang zur vordersten Loge auf der rechten Seite. Sie kam im letzten Augenblick. Ein Mann in Livree hielt ihr noch die Tür auf, machte aber ein Gesicht, als sei ihre Verspätung eine persönliche Beleidigung für ihn.
Leise schlüpfte Renata in die Loge. Es war schon dunkel, und überall hörte man das dezente Räuspern, kurz bevor die Musik endlich einsetzte. Sie blieb einen Moment an der Tür stehen, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Nichts wäre peinlicher, als jetzt lautstark über einen Stuhl zu stolpern. Aus dem Orchestergraben hörte sie die ersten Töne. Leises Rascheln und ersterbendes Geflüster läuteten den Moment ein, auf den sie so lange gewartet hatte: der Auftakt einer wundervollen und ereignisreichen Spielzeit. Mit einem ansteigenden Klang setzten die ersten Instrumente ein. Die Ouvertüre begann.
Renata lehnte sich zurück und lauschte verzückt. Es gab vier Plätze in der Loge, und nur die vordersten zwei waren besetzt. Ein Mann beugte sich rüber zu dem rechten Stuhl, der näher in Richtung Bühne stand, und flüsterte jemandem etwas zu. Jetzt sah Renata das Gesicht der anderen Person. Eine schöne Frau beugte sich dem Mann entgegen und sagte
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