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Unwiderstehlich untot

Unwiderstehlich untot

Titel: Unwiderstehlich untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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man tot ist, ist man tot. Und Geister verbrauchen Lebenskraft schneller als Menschen. Die Orte, an denen sie spuken, stellen ihnen normalerweise nur das Notwendigste zur Verfügung. Um zusätzliche Arbeit zu leisten, brauchen sie zusätzliche Energie. So wie ich sie Billy gebe.«
    Zum ersten Mal schien es mir völlig falsch, dass ich solche Macht über jemanden hatte. Bisher war mir unsere Beziehung immer als eine Art fairer Handel erschienen: Ich gab etwas, Billy gab etwas, und wir profitierten beide von unserer Vereinbarung. Billy hatte mir oft das Leben gerettet, und ich hatte ihm dabei geholfen, seine Existenz zu erhalten. Quid pro quo. Doch jetzt war ich nicht mehr so sicher.
    Durfte man von Gleichberechtigung sprechen, wenn eine Seite der Vereinbarung den Rücken kehren konnte und die andere nicht? Billy war imstande, ohne mich zu leben. Er hatte anderthalb Jahrhunderte »gelebt«, bevor wir uns zum ersten Mal begegnet waren – das verdankte er der Halskette, die für ihn die gleiche existenzerhaltende Rolle spielte wie für andere Geister ein Haus oder ein Friedhof. Aber das war’s auch schon: Existenzerhaltung, mehr nicht. Ohne regelmäßige Kraftspenden von mir konnte sich Billy nicht weiter als siebzig oder achtzig Kilometer von der Kette entfernen, und seinen Möglichkeiten waren auch dann Grenzen gesetzt, wenn er näher blieb.
    Ich fragte mich, wie es sein mochte, an ein Objekt gebunden zu sein, dem man überallhin folgen musste. So schwach zu sein, dass man nur beobachten konnte, wie das Leben dahinzog – ein Leben, von dem man getrennt blieb… Wie hatte Billy es geschafft, all die Jahre ohne Gesellschaft zu überstehen? Natürlich konnte er mit anderen Geistern reden, wenn er riskieren wollte, dass sie ihm Kraft stahlen. Aber selbst dann neigten Geistergespräche dazu, recht einseitig zu sein.
    Wie auch unsere Beziehung.
    Vielleicht schuldete ich Billy eine Entschuldigung, deren Nutzen allerdings fraglich blieb. Was konnte ich tun? Billy war ein Geist; daran ließ sich nichts ändern. Vielleicht sollte ich deutlicher zeigen, wie sehr ich unsere Beziehung zu schätzen wusste. Ich konnte mich ganz bewusst bemühen, ihn nicht auszunutzen.
    Vielleicht sollte ich etwas mehr versuchen, nicht wie mein Vater zu sein.
    »Das Spenden von Lebensenergie ist kein Verbrechen«, sagte Pritkin, dem es offenbar noch immer schwer fiel, mir zu folgen.
    »Kommt darauf an, woher man sie bekommt.« Er runzelte die Stirn. »Du benutzt deine eigene.«
    »Weil ich nur einem Geist Kraft gebe. Und trotzdem muss sich Billy manchmal mit seiner Halskette begnügen, weil ich keine Energie für ihn übrig habe.« Ich sah, wie es Pritkin zu dämmern begann, und wandte mich ab, bevor er Abscheu verspürte. »Wie viel Kraft braucht ein Heer aus Geistern? Ein Magier allein kann unmöglich Hunderte oder Tausende von Geistern mit Lebensenergie versorgt haben. Das ist völlig ausgeschlossen.«
    »Von dunklen Magiern ist bekannt, dass sie überall Kraft stehlen, wo sich ihnen Gelegenheit bietet«, sagte Pritkin.
    »Und jetzt wissen wir, wozu sie verwendet wird, oder verwendet wurde.« Plötzlich fand ich die steinerne Sitzbank sehr unbequem und stand auf. »Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber wenn die dunklen Magier jemanden erwischen… Nehmen sie ihm dann nicht die ganze Kraft?«
    »Ja«, bestätigte Pritkin leise. »Und wenn man einem magischen Menschen seine ganze Kraft nimmt…«
    »Dann stirbt er.«
    »Mein Vater war also ein Mörder. Noch dazu ein Massenmörder, wenn er ein ganzes Geisterheer mit Lebenskraft versorgte.« Vermutlich war er auch noch ein Entführer und Vergewaltiger gewesen. Ich ging ein Stück – der Kamin neben der Bank erschien mir plötzlich sehr interessant. »Ich würde sagen, das ist ziemlich dunkel, oder?«
    Ich konnte es mir kaum vorstellen, denn meine einzige echte Erinnerung an ihn war gut. Er hatte mich als Drei- oder Vierjährige hochgeworfen, und ich hatte voller Entzücken gequiekt. Es war schwer, dieses Bild mit jemandem in Einklang zu bringen, der Menschen umgebracht hatte, nur weil er ihre Lebenskraft für Geister brauchte.
    »Wenn er Mitglied des Schwarzen Kreises war«, sagte Pritkin. »Und das wissen wir nicht. Derzeit hat der Kreis entschieden, den Gerüchten Glauben zu schenken, weil es ihm in den Kram passt.«
    »Und wenn die Gerüchte stimmen?«
    »Es würde sich nichts ändern«, erwiderte Pritkin mit Nachdruck.
    »Aber mein Vater wäre dann ein Ungeheuer.« Ich hatte mir nicht

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