Unwiderstehlich untot
ihn an den Armen fassen und ihm ins Gesicht sehen konnte.
»Du hast gesagt, du könntest dich heilen. Also heil dich!« Er wich meinem Blick aus. »Sorg dafür, dass die Blutung aufhört, Pritkin«, drängte ich ihn, und meine Finger bohrten sich ihm in die Arme. »Lass sie aufhören, und ich tue alles, was du willst.«
Er befeuchtete sich die Lippen. »Mir steht weniger… weniger Kraft zur Verfügung als sonst. Die Heilung wird eine Weile dauern.«
Ja, genau die Weile, die wir nicht hatten. Ich sah ihn ungläubig an. »Du hast mich überlistet! Du wolltest die Körper tauschen, weil du wusstest, dass…« Ich brachte es nicht fertig, die Worte auszusprechen.
»Besser ich als du!«
Ich starrte ihn an und konnte nicht fassen, dass das geschah. Dass er einfach so verschwinden konnte, mit all den Dingen, die er in mein Leben gebracht hatte. Verschwinden, wie durch Magie…
»Mach das nicht«, sagte Pritkin schließlich und begegnete meinem Blick. Wenn ich noch einen Rest von Zweifel daran hatte, dass er es ernst meinte, dann löste er sich jetzt auf. »Du kannst dich nicht jedes Mal zerreißen, wenn du jemanden verlierst. Der Krieg…«
»Halt mir keinen dämlichen Vortrag über den Krieg, wenn die Person, über deren Verlust wir hier reden, du bist!«, stieß ich hervor und war überrascht von der Wildheit in meiner Stimme. Wenigstens zitterte sie nicht.
Sein Gesicht verschwamm, und ich schmeckte Salz auf den Lippen. Es war warm, so warm wie Pritkins Hände, die nach oben kamen und meine Wangen berührten. Die Daumen strichen mir über die Lider, und die übrigen Finger tasteten durchs Haar. »Auf der großen Bühne des Geschehens ist eine einzelne Person nicht so wichtig«, sagte er, und seine Stimme war so sanft wie noch nie zuvor. Das gab mir fast den Rest.
Du bist wichtig, dachte ich. Aber das sah er anders. Er hielt sich in erster Linie für ein fehlgeschlagenes Experiment, ein ausgestoßenes Kind und ein Mann, der nur deshalb die Achtung seiner Kollegen genoss, weil er die Kreaturen tötete, die sie fürchteten. Ich wünschte, er wäre in der Lage gewesen, die Dinge wenigstens einmal aus meiner Perspektive zu sehen.
»Dann spielt auch das hier keine Rolle«, sagte ich, beugte mich zu ihm und drückte meinen Mund auf seinen. Verzweiflung steckte in dem Kuss, und alles, was Pritkin mir bedeutete.
Seine blutigen Finger bewegten sich an meinen Wangen, und er erwiderte den Kuss mit einer Zärtlichkeit, die ganz anders war als die Leidenschaft in Marsdens Küche. Ein elektrisches Prickeln blieb diesmal aus. Ich hatte nicht das Gefühl, von einer kühlen Brise erfasst zu werden, die Erregung brachte und mich gleichzeitig schwächte…
Ich verlor keine Kraft.
Mit einem Ruck wich ich zurück und sah Pritkin an. »Moment mal. Was war… In Marsdens Küche bist du geheilt. Ein Kratzer an deinem Arm. Ich hab’s gesehen!« Pritkin schwieg. »Du bist zur Hälfte Inkubus. Das heißt, du kannst Kraft von mir aufnehmen«, sagte ich und verstand langsam. Seine Fähigkeit musste geistiger und nicht so sehr physischer Natur sein, wie meine. Deshalb hatte ich auch in seinem Körper springen können.
Und deshalb war er in meinem zur Heilung imstande gewesen. »Du hast keine Kraft übrig!«, erwiderte Pritkin.
»Ich habe mehr als du!« Erneut ergriff ich seine Arme. »Pritkin, du kannst meine Kraft benutzen, um…« Ich unterbrach mich, als ich in seinem Gesicht plötzlich einen Ausdruck sah, den ich dort noch nie zuvor gesehen hatte. Er schien entsetzt zu sein.
»Das ist genau das, was beim letzten Mal geschah!«, sagte er rau. Sein Blick ging zur Tür, zu den Monitoren und zum Abfalleimer in der Ecke, nur nicht zu meinem Gesicht. »Du hast das Haus gesehen. Es war noch abgelegener und isolierter – im Umkreis von vielen Kilometern gab es nur Felder, Wasser und Wälder. Es gab niemanden, der helfen konnte, niemanden, der sie schreien hörte!«
Ich begriff plötzlich, dass es nicht sein eigener Tod war, der ihn so entsetzte, sondern meiner. Er atmete schwer, das Gesicht voller Schmerz, und die Haut seiner Brust schien dunkler zu werden. »Du verstehst das Risiko nicht«, fügte er ruhiger hinzu.
»Dein Vater hat versucht, mich umzubringen. Glaub mir, ich verstehe.« Ich hatte es meiner persönlichen Albtraumliste hinzugefügt: das grässliche Gefühl, langsam leer gesaugt zu werden, das mich so sehr schaudern ließ, als wollte sich die Haut von den Knochen lösen. Aber das war Rosier gewesen. Pritkin hatte
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