Unwiderstehlich untot
machen, könnte er sich vielleicht heilen.«
»Und wenn nicht?«
»Was glaubst du wohl?«, schnauzte Sal und hatte offenbar genug von all den Fragen. Sie sah Alphonse an. »Ich brauche einen Drink.«
»Schick Marco«, sagte er, lehnte sich an die Wand und war ganz Beobachter. »Wenn dem Meister das gelingt, dürfte er anschließend geschwächt sein. Und inzwischen wissen alle, dass er hier ist. Wenn jemand was gegen ihn unternehmen will, wäre dies ein geeigneter Zeitpunkt.«
»Er hat Wächter mitgebracht«, wandte Sal ein.
»Zwei.« Alphonse klang missbilligend. »Ich habe zehn weiteren Bescheid gegeben. Sie sind unterwegs, und bis sie eintreffen, rühre ich mich nicht von der Stelle.«
»Ich habe eigene Wächter«, sagte Casanova beleidigt. »Ganz zu schweigen von den Typen, die der Senat mir aufgezwungen hat.«
Diesmal verzichtete Alphonse auf eine abfällige Bemerkung über Casanovas Laden. »Jetzt kriegst du noch mehr.«
Sal sah mich an, und ich erwiderte ihren Blick trotzig. Ich wollte auf jeden Fall bleiben, bis ich mehr über Rate wusste. Sie seufzte. »Ich gehe. Dieser Ort ist verdammt deprimierend. Schlägt einem echt aufs Gemüt.«
Sie war kaum gegangen, als ich mich an Alphonse wandte.
»Wie kann es einen Meister schwächen, jemanden zu verwandeln? Sie machen das die ganze Zeit über!«
Alphonse neigte den Kopf nach hinten, an die Wand. Für einen Moment dachte ich, er würde sich nicht zu einer Antwort herablassen. Aber dann glitt sein Blick zu mir, und offenbar sah er die Verzweiflung in meinem Gesicht, denn er seufzte. »Für einen Meister ist es kein Problem, einen nichtmagischen Menschen zu verwandeln«, sagte er. »Drei Bisse vom gleichen Vampir schnell hintereinander, und das wär’s. Aber Rafe ist bereits verwandelt.«
»Und?«
»Um die Verbindung zu lösen, muss Mircea Rafe Tonys Blut nehmen und es durch sein eigenes ersetzen. Normalerweise ist das anstrengend, ansonsten aber nicht weiter der Rede wert. Das Blut eines Meisters der ersten Stufe hat ziemlich viel Kraft, und deshalb ist nicht viel nötig. Aber Rafe geht’s richtig mies. Mircea muss ihm zusätzliche Kraft geben, damit er den Wechsel überlebt.«
»Und das bedeutet für Mircea, dass ihm selbst gefährlich wenig Kraft bleibt«, sagte ich leise und bedauerte, gefragt zu haben.
Mit finsterer Miene beobachtete Alphonse zwei Krankenschwestern, die seit Mirceas Eintreffen wie ehrfürchtige Teenager dastanden. Sie bemerkten Alphonses Blick und eilten fort. »Der Meister verliert Macht, ob das nun klappt oder nicht«, brummte er. »Ich werde dafür sorgen, dass niemand seine Schwäche ausnutzt.«
Danach gab es kaum mehr etwas zu sagen. Still und reglos saßen wir drei da, und die beiden Vampire atmeten nicht einmal. Ich wusste nicht, wie sich Casanova und Alphonse fühlten, denn ihre Gesichter zeigten die Art von Ausdruckslosigkeit, die für Vampire typisch war, wenn sie keine Menschen beeindrucken mussten. Aber ich fühlte mich elend und vollkommen hilflos.
Aus irgendeinem Grund dachte ich an die Geschenke, die Rate mir von seinen Reisen mitgebracht hatte. Sie waren immer sehr aufmerksam gewesen und hatten zu mir gepasst. Als ungestümer Wildfang hatte ich aus Rom einen Gladiatorenhelm aus Plastik und ein dazu passendes Schwert bekommen, mit dem ich ihn durch die Zimmer von Tonys Farmhaus gejagt hatte. Der Heranwachsenden, die älter erscheinen wollte, als sie war, hatte er Parfüm aus Paris geschenkt, in winzigen Kinderfläschchen, die aber den für Erwachsene bestimmten Duft enthielten. Und kurz vor meiner Flucht von Tony hatte ich von Rafe meinen ersten falschen Ausweis bekommen.
Er schien nie eine Gegenleistung dafür erwartet zu haben. Vermutlich war er die einzige Person in meinem Leben, von der ich so etwas behaupten konnte. Und jetzt starb er.
Ich neigte nicht zu Gewalt. Davon hatte ich als Kind und Jugendliche so viel gesehen, dass sie ihren Reiz verlor, selbst bevor Hinz und Kunz damit begannen, mich anzugreifen. Deshalb dauerte es eine Weile, bis ich das Gefühl identifizieren konnte, das meine Wangen glühen ließ und aus meinen Händen Fäuste machte. Ich wusste nicht, wer hinter dem Angriff an diesem Tag steckte; ich wusste nicht einmal, ob es wirklich ein Angriff war. Aber dafür wusste ich etwas anderes.
Wenn ich den Verantwortlichen fand, würde ich ihn töten.
13
Ich weiß nicht, wann ich einschlief, aber ich erwachte mit dem Kopf an Marcos Schulter, auf die jemand gesabbert zu haben schien. Meine
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