Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
zu verraten.«
Als ihre Blicke sich trafen, erkannte Clarinda, dass sie zum ersten Mal seit jenem verhängnisvollen Morgen auf der Wiese allein waren. Sie hatte sich größte Mühe gegeben, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen, aber es war seitdem kein einziger Tag vergangen, an dem er nicht wie ein Phantom in ihrem Herzen aufgetaucht war. Jetzt stand er wieder in Fleisch und Blut, aber irgendwie überlebensgroß, vor ihr.
Nachdem sie diese Erkenntnis verdaut hatte, wandelte sich ihr Zorn in Beunruhigung. Sie warf einen verzweifelten Blick zur Tür und ging auf ihn zu. »Ist dir eigentlich klar, was für ein Risiko du hier eingehst? Wenn irgendein Mann außer dem Sultan und seinen Eunuchen im Harem entdeckt wird, steht darauf die Todesstrafe. Du könntest deinen Kopf verlieren.«
Ashs Blick wanderte gemächlich über sie, verweilte auf den wohlgeformten weißen Schenkeln, die das wenig hilfreiche Handtuch unbedeckt ließ, dem sich mit jedem bebenden Atemzug unregelmäßig hebenden und senkenden Busen, ihrem wirren Haar und der verräterischen Röte auf ihren Wangen.
Als seine Augen wieder bei ihren ankamen, stand kein Anflug von Spott darin. »Ich fürchte, dafür ist es zu spät. Den habe ich vermutlich längst verloren.«
Einen schmerzlichen Moment hörte Clarinda ganz auf zu atmen. Sie hatte völlig vergessen, wie sie sich dabei fühlte, wenn er sie so ansah. Sein Blick weckte in ihr die Frage, was er wohl tun würde, wenn sie ihren krampfhaften Griff um das Handtuch lockerte und es zu Boden fallen ließ.
Sie umklammerte den dünnen Stoff fester, als ob es den letzten verbliebenen Rest ihres gesunden Menschenverstandes enthielte. Hatte sie nicht bereits auf die harte Tour gelernt, dass eine momentane Unbesonnenheit lebenslanges Bedauern nach sich ziehen konnte? Wenn sie zuließe, dass er ihre Entschlusskraft mit einem Blick ins Wanken brachte, wie sollte sie ihm da je beweisen, dass sie nicht mehr das liebeskranke Mädchen war, das er verlassen hatte, sondern eine erwachsene Frau?
Wie sollte sie das je sich selbst beweisen? Oder Max?
Also stellte sie sich vor, sie sei in ihr strengstes Vormittagskleid gewandet statt in einen dünnen Streifen Seide gewickelt und reckte das Kinn. »Wenn du gekommen bist, um eine deiner berühmt-berüchtigten Rettungsaktionen durchzuführen, Captain Burke, dann sollten wir uns besser beeilen. Ich bin zwar im Augenblick das Lieblingsspielzeug des Sultans, aber er hält mich an reichlich kurzer Leine.«
Das böswillige Funkeln war in seine Augen zurückgekehrt. »Warum die plötzliche Eile? Nach allem, was ich beobachten konnte, steht deine Hochzeit nicht vor dem sechsten Jahrestag deines einundzwanzigsten Geburtstag an.«
Sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Sie haben sich überhaupt nicht für mein Alter interessiert, als ich im Palast eintraf. Sie waren alle zu sehr damit beschäftigt, mein Haar zu begaffen.«
Er streckte eine Hand aus und nahm eine Strähne von ihrer nackten Schulter. Während er das silberblonde Haar durch seine Finger gleiten ließ, sandte seine fast ehrfürchtige Berührung einen unerwünschten Schauer der Sehnsucht durch sie. »Du musst zugeben, es ist dein hervorstechendstes Merkmal.« Er ließ seinen Blick nochmals über sie wandern. »Oder immerhin eines von ihnen.«
Sie schlug seine Hand weg. »Ich kann nicht glauben, dass ich vergessen hatte, wie unerträglich du bist.«
Er beugte sich vor. »Ich habe jedenfalls nicht vergessen, wie sehr du es immer genossen hast, mich leiden zu lassen. Weißt du noch, wie du mich über den Felsvorsprung in die Disteln geschubst hast, während wir Blinde Kuh gespielt haben?«
»Ich hätte eine höhere Klippe aussuchen sollen.«
Und schon standen sie sich wieder gegenüber, Nase an Nase, starrten sich an, als seien sie noch Kinder, er zwölf und sie neun Jahre alt. Es war genau diese knisternde Spannung, die sie schließlich einander in die Arme getrieben hatte, in jener lang zurückliegenden Nacht in dem Stall seines Vaters, als er sie zum ersten Mal geküsst hatte.
Clarinda wusste nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert war, als Ash den unsichtbaren Faden durchtrennte. Er entfernte sich und lehnte sich gegen das verschnörkelte Ende des Diwans, überkreuzte seine Füße in den Stiefeln und verschränkte die Arme über seinem Herzen wie zum Schutz. »Nachdem wir mitansehen durften, wie der Sultan dich anschmachtet, ist Luca nicht restlos überzeugt, dass du überhaupt gerettet werden
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