Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
gerichtet, der den Alkoven von den Frauen im Harem trennte, die am Fuß der Stufen schliefen. Als sie keine Schritte die Treppe hinaufeilen hörte, seufzte sie auf. Wenn sie geschrien hätte, wäre eine von Farouks Wachen mit einem Säbel in der Hand herbeigestürzt.
Sie strich sich mit zitternder Hand ihr wirres Haar aus dem Gesicht. Da sie den zweiten Abend in Folge nicht eingeladen worden war, den Männern beim Dinner Gesellschaft zu leisten, hatte sie gehofft, alle Gedanken an Ash verbannt zu haben, bevor sie ihren Kopf auf das Kissen legte und die Augen schloss. Sie hätte vielleicht sogar Erfolg gehabt, wenn er sie in ihren Träumen nicht eingeholt hätte.
Dieser skandalöse Traum hätte dazu führen sollen, dass sie entspannt und befriedigt einschlief. Stattdessen fühlte sie sich frustriert und irgendwie verstimmt, denn ihr Höhepunkt war ebenso ein Phantom gewesen wie der Mann, der ihn ihr geschenkt hatte. Ihr Busen fühlte sich schwer an, und zwischen ihren Schenkeln war ein quälender Schmerz, der in ihr den Wunsch weckte, ihre Hand dorthin zu legen; sie wusste aber, es wäre ein vergeblicher Versuch, die Sehnsucht zu lindern.
Schon vor ihrer Entführung hatte sie die Vorstellung gefürchtet, nach einem solchen Traum neben ihrem Ehemann aufzuwachen. Wie sollte sie Max je erklären, warum sie im Schlaf aufgeschrien hatte? Noch schlimmer war die Vorstellung, sie müsste gar nichts erklären. Max war immer imstande gewesen, ihre Gedanken zu lesen, wahrscheinlich müsste er ihr nur in die Augen schauen und wüsste, dass sie von einem anderen Mann geträumt hatte. Einem Mann, der zufällig sein Bruder war.
Sie trat die Laken weg und glitt von dem Diwan, ging zu dem Fenster, das tief in die Mauer aus in der Sonne gebackenen Steinen eingelassen war. Die meisten Frauen im Harem schliefen nackt, aber sie bestand darauf, ein kurzes Seidenhemd zu tragen. Das Kleidungsstück war so hauchdünn, dass sie genauso gut hätte nackt sein können, so jedoch fühlte sie sich hier etwas weniger verletzlich, wo von Frauen gemeinhin erwartet wurde, zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung zu stehen, um einem Mann jeden Wunsch zu erfüllen.
Eine warme Brise strich über ihre erhitzte Haut, als sie ihre Finger um das kunstvoll gearbeitete Eisengitter schloss, das zwischen ihr und der Nacht lag. Farouk nannte sie gerne seine »Butterblume«, während Luca sie als nachtblühende Lilie bezeichnet hatte. Aber sie fühlte sich mehr wie eine Gewächshausorchidee, die in einem feuchtwarmen Glashaus eingeschlossen war. Alles, wonach sie sich sehnte, war in die Wildnis zu entkommen, wo sie endlich frei wäre zu erblühen.
Sie hatte in jener Nacht im Stall auf Dryden Hall versucht zu fliehen, als Ash sie gefunden hatte und sie wegen der Gehässigkeit der Mädchen, die sie für ihre Freundinnen gehalten hatte, geweint hatte. Nachdem sie mit dem Hufeisen nach ihm geworfen hatte, hatte sie sich hastig aufgerichtet, sie fürchtete, ihr Wutanfall hätte ihn am Ende getötet.
Doch als er langsam aufstand und leise einen anerkennenden Pfiff ausstieß, hatte sie erkannt, dass sie ihn verfehlt hatte. »Die Mädchen haben recht, weißt du? Keine echte Dame kann so werfen. Wenn ich nicht so gute Reflexe hätte, hättest du mir das Hirn zerschmettert.«
Sie schniefte. »Ich glaube, dazu müsstest du erst einmal ein Hirn haben.«
»Dem kann ich nicht widersprechen. Wenn ich auch nur ein halbes Hirn hätte, wäre ich jetzt im Haus oben und würde mit einer der Schlangen tanzen, die du Freundinnen nennst, statt mein Leben und meine Gesundheit hier bei dir aufs Spiel zu setzen.«
Clarinda wischte sich die Nasenspitze mit dem Handrücken, sie wünschte, das Mondlicht, das durch den Heuboden in den Stall schien, wäre nicht so hell. Sie musste grässlich aussehen. Sie hatte noch nie weinen und dabei hübsch aussehen können.
Es war das erste Mal, dass sie und Ash allein waren seit seiner Rückkehr von Eton. Er war immer noch schlank, aber jetzt waren seine Schultern wesentlich beeindruckender, seine Brust in der gestreiften Weste und dem gestärkten weißen Hemd wesentlich breiter. Ein Mädchen fragte sich unwillkürlich, wie es sich wohl anfühlte, die Wange daran zu schmiegen und dem Herzschlag darunter zu lauschen.
Sie riss ihren Blick zurück zu seinem Gesicht und sah, dass er an seiner Zigarre zog und sie dabei betrachtete, als sei sie ein Rätsel, das er lösen musste.
»Du solltest vermutlich gehen«, riet sie ihm. »Sie glauben
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