Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
schon, dass ich versuche, mir deinen Bruder zu angeln, und wenn sie uns hier finden, werden sie mir vermutlich vorwerfen, ich wollte auch dich in eine Falle locken, damit du mich am Ende heiraten musst.« Sie strich die zerrissenen und schlammbespritzten Röcke ihres prächtigen Ballkleides glatt und fragte sich, wie sie ihren Zustand ihrem Vater erklären sollte. »Oder etwas Schlimmeres.«
»Mach dir keine Sorgen«, erwiderte Ash unbekümmert. »Wenn wir entdeckt werden, werde ich ihnen einfach sagen, wir hätten uns in den Stall geschlichen, um gemeinsam eine Zigarre zu rauchen.«
Clarinda spürte, wie ihre Lippen sich zögernd zu einem Lächeln verzogen. »Dann werden alle mit absoluter Sicherheit wissen, dass ich ein hoffnungsloser gewöhnlicher Wildfang bin.«
Er drückte die Zigarre an einem Pfosten aus und schnippte den Rest fort. »Das hätte ich ihnen schon vor langer Zeit sagen können.«
Sie hätte es nicht für möglich gehalten, aber seine Worte verletzten sie tiefer als die spitzen Bemerkungen, die sie heute Abend hatte erdulden müssen. Sie warf den Kopf in den Nacken, sodass ihr Haar, das sich schon bei ihrer wilden Flucht aus dem Haus halb aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte, ihr über den Rücken fiel, und sagte: »Warum gehst du dann nicht einfach dahin zurück, wo du hingehörst?«
»Weil ich zufällig hoffnungslose gewöhnliche Wildfänge mag.« Er kam lässig auf sie zu, sein träger Gang wurde durch die Eindringlichkeit in seinen goldfarbenen Augen Lügen gestraft. »Sie sind so viel interessanter als Damen.«
Da Clarinda praktisch schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, dass dieser Augenblick je kommen würde, konnte sie ihn nur mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen ansehen, als er sie in seine Arme schloss und seinen Kopf zu ihrem senkte.
Zu ihrer Überraschung war es nicht ihr Mund, den er küsste, sondern ihre Wange. Er strich mit seinen Lippen über jede Tränenspur, linderte ihren Schmerz mit einer Beredsamkeit, die Worte niemals haben konnten.
Als seine Lippen sich schließlich über ihren schlossen, schien es wie die natürlichste Sache auf der Welt. Clarinda hatte schon jede Menge junger Männer in ihre Schranken verwiesen, die versucht hatten, ihr einen Kuss zu stehlen. Aber Ash stahl nichts. Er belegte mit Beschlag, was ihm rechtmäßig zustand.
Sein Mund glitt mit beinahe ehrfürchtiger Zärtlichkeit über ihren, er schmeckte ganz leicht nach Tabak und Brandy. Offenbar war die Zigarre nicht das Einzige, was er aus dem Arbeitszimmer seines Vaters stibitzt hatte. In dem Augenblick war es, als ob alles an ihnen eins wurde – ihre Münder, ihr Atem, der Rhythmus ihrer Herzen. Ihr eigenes klopfte so laut, dass Clarinda kaum das Knarren der Stalltür hörte, als sie geöffnet wurde, bis Ashs Arme sich fester um sie schlossen und er sie mit sich in den Schatten an der Wand zog.
»Wer ist das?«, flüsterte sie und schlang ihm unwillkürlich die Arme um die Mitte.
Ash runzelte die Stirn. »Vermutlich einer von den Stallburschen meines Vaters.«
»Clarinda? Bist du hier, Kleines? Einer der Lakaien hat gesagt, er glaube, er habe dich herlaufen sehen. Der Sohn des Earls of Cheatham ist gerade eingetroffen und möchte dich sehr gerne kennenlernen.«
Clarinda drückte ihr Gesicht gegen Ashs Weste, um ihr Stöhnen zu ersticken. »Oh nein! Es ist Papa! Seit ich von Miss Throckmortons College zurück bin, hat er einen stetigen Strom aus Verehrern mit Titel vor mir aufmarschieren lassen, weil er hofft, ich würde für einen von ihnen eine Vorliebe entwickeln.«
Ash hob ihr Gesicht an und zwang sie so, ihn anzusehen. »Du wirst die Giftschlangen für immer verstummen lassen, wenn sie erst einmal gezwungen sind, dich eines Tages mit ›Lady Cheatham‹ anzusprechen.«
Sie biss sich auf die Unterlippe, dann lächelte sie spitzbübisch. »Was, wenn ich lieber ›Lady Wildfang‹ sein möchte?«
»Dann bin ich nur zu gerne bereit, diesen Wunsch zu erfüllen.« Er drückte einen weiteren kurzen, aber festen Kuss auf ihre Lippen, nahm ihre Hand in seine und zog sie weiter in den Stall.
Dort schob er ein lockeres Brett in der Wand zur Seite und bedeutete ihr, durch das so entstandene Loch zu schlüpfen, er half ihr, ihren Rocksaum zu befreien, als er an einem Nagel hängen blieb. Dann rannten sie gemeinsam Hand in Hand durch die warme windige Nacht und lachten dabei übermütig.
Diese Erinnerung an das Gefühl grenzenloser Freiheit ließ den Turm nur noch mehr wie einen Käfig
Weitere Kostenlose Bücher