Unwiderstehliches Verlangen
benahmen sich alle ganz normal. Schon nach wenigen Minuten erzählten sie William Lügengeschichten über ihre Abenteuer in der Luft, und William erzählte ihnen von den hübschen Hotels in der Stadt, wo sie absteigen könnten. Jackie hatte Mühe, ihr Lächeln zu verbergen. Jetzt konnte sie sich in Ruhe zurücklehnen. William würde ihr alles abnehmen. Er würde diesen Leuten nicht gestatten, das Haus in Beschlag zu nehmen, und er würde ihnen auch keine Jobs geben, es sei denn, sie wären dafür geeignet.
Fünf Minuten später kam Arnold zurück.
Gladys kümmerte sich allzu angelegentlich um William, drückte seinen Arm an ihre Brust und sagte: »Also dieser prächtige junge Mann gehört jetzt Jackie.«
Arnold reichte William grinsend die Hand. »Ich wußte gar nicht, daß Charley und Jackie Kinder gehabt haben«, sagte er.
Sofort wurde es still im Zimmer. Allein William behielt die Ruhe, schüttelte Arnold die Hand und sagte gelassen und offenbar ungerührt von dessen Bemerkung: »Ich hoffe, Jackie zu überreden, meine Frau zu werden.«
Jackie dagegen wünschte sich, der Fußboden würde sich auftun und sie auf Nimmerwiedersehen verschlingen. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer, ohne Arnolds Entschuldigungen und die Bitten der anderen, sie möge doch bleiben, zu beachten.
Als sie draußen plötzlich Williams Hand auf ihrem Arm fühlte, war sie nicht weiter überrascht. Er wollte sie zum Bleiben bewegen, aber sie wollte sich in ein Flugzeug flüchten. Das schien ihr jetzt die einzige sichere Zuflucht zu sein.
»Jackie«, sagte William, »der Mann ist stark angetrunken, und ich bezweifle, daß er auch im nüchternen Zustand über seine Nasenspitze hinaus sehen kann.«
»Immerhin hat er gesehen, was alle anderen auch gesehen haben.«
William packte sie an den Schultern. »Jackie, mir reicht das jetzt allmählich. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Es ist mir egal, wie alt du bist, wo du herkommst und ob du fett oder mager bist. Ich liebe dich so, wie du bist.« Als sie nicht reagierte, ließ er sie los. »Aber es ist deine Entscheidung«, sagte er, und seine Stimme klang kalt. »Du mußt dich entscheiden.«
Sie ging weg von ihm, ging immer weiter, und Minuten später war sie schon in der Luft.
Als William damals mit ihr geflogen war, hatten ihm bereits die Haare zu Berge gestanden. Wenn er sie jetzt gesehen hätte, wäre er entsetzt gewesen. Sie raste so tief über die Bäume hinweg, daß der Rumpf die obersten Zweige streifte. Sie flog kerzengerade auf einen Berg zu, und in dem Augenblick, als sie die Maschine hochzog, wußte sie selber nicht, ob sie noch darüber hinwegkommen würde. Fast hätte sie die Leistungsfähigkeit des Flugzeugs dabei überschätzt. Aber es war ihr ziemlich gleichgültig, ob sie gegen die Felsen krachte oder nicht.
Sie blieb stundenlang in der Luft, vollführte Loopings und Rollen, Schrauben und Rollenkreise — alles, was sich überhaupt mit einem Flugzeug anstellen ließ.
In 3000 Meter Höhe ging ihr über einem Berggipfel der Sprit aus, und sie steuerte eine kleine, einigermaßen ebene und baumlose Wiese an. Es war nicht abzuschätzen, ob die Landebahn ausreichen oder sie darüber hinausrasen und in den Abgrund stürzen würde. Aber auch das ließ sie kalt.
Die Landung klappte, doch die Räder standen am Rand des Abgrunds, und die Nase ragte schon darüber hinaus.
Stotternd setzte der Motor aus. Mit zurückgelegtem Kopf und geschlossenen Augen unter der Fliegerbrille blieb Jackie noch eine Weile sitzen. Sie stand mit einem Flugzeug ohne Benzin auf der Bergspitze. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als zu Fuß hinunterzugehen und danach mit einem vollen Benzinkanister wieder hinaufzuklettern.
Sie stieg aus, dachte aber nicht an Abstieg. Statt dessen setzte sie sich an den Rand, betrachtete die weite, herrliche Aussicht und wartete auf eine Eingebung.
Sie wartete vergebens. Dafür kam ein Hagelschauer. Am späten Nachmittag öffneten sich die Schleusen des Himmels, und große Hagelkörner flogen ihr um den Kopf. Sie kroch unter eine Tragfläche.
Als die Nacht anbrach, rollte sich Jackie zusammen, zog die Ledermontur über sich und döste vor sich hin. Noch immer konnte sie keinen Gedanken fassen. Sie wollte es auch gar nicht. Sie wünschte sich in die Zeit zurück, als sie noch jung war, das Leben leicht schien und sie keine Probleme hatte.
Früh am nächsten Morgen hörte sie eine Maschine. Das wunderte sie nicht, denn sicher würde William sie
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