Unzeitgemäße Gedanken: Tagebücher 2 (German Edition)
Wein mitnahmen, im Herzen erschüttert wurde und finster seine Pfeife pafft. Und all die anderen, zahlreiche duckmäuserische Bauern.
Am Abend ein martialischer Sturm, Einquartierung: Mit Äxten werden der Zaun und das Gartentor umgelegt; große Militärfahrzeuge im Garten, unter den kahlen Bäumen abgestellt; und sechzehn Russen ziehen für die Nacht bei uns ein, ins warme Wohnzimmer. Ein Hauptmann und Mechaniker: Die durchziehenden Truppen – die eine Brücke über die Donau schlagen und zur Entlastung von Buda, das auch von Székesfehérvár her bedroht wird, vorstoßen – richten hier, im Garten dieses kleinen Hauses, die Werkstätte für ihren Fuhrpark ein. Ein richtiger Wanderzirkus ist angekommen, große Autos, auch ein Stromgenerator; und sechzehn Russen quartieren sich im nicht allzu großen Wohnzimmer ein. Zu viert – L. , Z. , der kleine Junge und ich – werden wir ins Nebenzimmer abgedrängt. So beginnt diese außergewöhnliche Nacht; nicht ganz ohne Beklemmung. Allein mit zwei Frauen und einem Kind, am Rande des Dorfes mit sechzehn russischen Schlafgängern: Das ist schließlich kein alltägliches Erlebnis.
Aber alles ist einfacher, als wir es uns vorstellen. Der Leutnant heißt Sedlatschek, sein Vater war Ungar. Jung ist er, aufgeblasen und stupide; unter den einfachen Soldaten finden sich gutmütige, auf ihre Art anständige und menschenfreundliche Männer. Sie möchten sich waschen; dann bekommen sie Tee und einen großen Kessel Kartoffelsuppe; sie schmausen, ohne zu reden. Der Leutnant verteilt die Feldpost und liest aus einer Feldzeitung die neuesten russischen Kriegsberichte vor; sie essen gemeinsam am langen Tisch, Offizier und Soldat, nicht ohne Distinktion, dennoch vertraut. Schließlich verstehe ich, was Basseches in seinem Buch Die unbekannte Armee über die seelische und gesellschaftliche Struktur dieser großen Armee schreibt.
Die Nacht wäre ruhig, würden die Deutschen die Ortschaft und ihre Umgebung nicht bombardieren. Aber sie bombardieren wie die Verrückten; das hiesige Gasthaus bekommt um Mitternacht einen Volltreffer ab; sie suchen nach der Brücke von Szentendre und Tahi, neuerdings auch nach der im Bau befindlichen Pontonbrücke zwischen Leányfalu und Pócsmegyer. Furchterregend sind dieses Geheul, die nahen Einschläge; in dieser Nacht habe ich mich das erste Mal ernsthaft vor Bomben gefürchtet. Die Russen schlafen, L. und ich liegen mit offenen Augen in der Dunkelheit. Ich lege mein Schicksal völlig in Gottes Hand; ich denke an die Menschen in Pest, in Buda; spüre das menschliche Schicksal; und jenseits aller Angst tiefe Demut.
Am Morgen richten die Russen eine Art kleiner Ganz-Fabrik im Haus und im Garten ein; so leben wir jetzt, wir warten auf irgendwas. Alles ist besser als die Rückkehr der Deutschen mit ihren Mördern, den Pfeilkreuzlern.
Fjodor, der Koch, traktiert das Haus mit Würfelzucker; ein jüdischer Offizier erzählt, dass seine Frau und seine zwei Kinder von den Deutschen in Minsk umgebracht wurden.
Alle sind müde und resigniert; sie haben den Krieg satt; sprechen zutraulich von den Verhältnissen zu Hause; daheim haben sie ein eigenes kleines Haus; wenn sie krank sind, gehen sie zum Arzt, bekommen Medizin; der geistig Schaffende wird ebenso, wenn nicht noch höher geschätzt als der körperlich Arbeitende. Im Dorf sammelt ein Kosak Männer zum Arbeitsdienst; ich stelle mich vor, er sieht meine Dokumente durch und sagt: »Geh nach Haus.«
Wir leben jetzt so nah am Tod; die Bomben, die Deutschen, die nahe Front, die Truppenbewegungen, mit einem Wort – der Krieg ist in unserer unmittelbaren Nähe, mitten in unserem Leben. Habe ich in meinem Leben wirklich noch etwas zu vollbringen? Nur Gott weiß das; ich kenne nur meine Aufgaben.
Einquartierung von Soldaten im Krieg: Auch wenn die Hausleute die Soldaten des eigenen Landes beherbergen müssen, ist das kein großes Vergnügen; in zwei kleinen Zimmern mit sechzehn wildfremden Russen zusammenzuleben ist natürlich noch viel absonderlicher. Zu viert zwängen wir uns in das äußere, sechzehn und noch mehr quartieren sich im mittleren Zimmer ein – denn ständig kommen neue und wieder neue Besucher, zu jeder Stunde des Tages und der Nacht; sie essen, schlafen, so gut sie können; das Gartentor zu schließen hätte keinen Sinn, auch wenn es das Tor noch gäbe; das Haus empfängt Tag und Nacht die herumstreunenden Gäste mit weit offenen Türen.
Wir verdrücken uns tage- und nächtelang ins kleine
Weitere Kostenlose Bücher