Unzertrennlich
gesagt, dass sie ihm ja bereits erzählt habe, ihr Privatleben sei momentan etwas kompliziert. Sven zog seine Hand von ihrem Bein und stand abrupt auf.
»Ich hole noch Kaffee«, sagte er und kam erst fünf Minuten später zurück. Ohne Kaffee. Er hatte ihr seine Ehegeschichte erzählt, auch wie er gelitten hatte. Christine hätte sich selbst ohrfeigen können.
Sven setzte sich wieder auf die Bettkante und sah sie an. »Ich habe ja keine Ahnung, was in deinem Privatleben los ist, ich bezweifele nur, dass es hiermit einfacher wird.
Ich kann mich auch täuschen, aber bitte, Christine, ich habe keine Lust mehr, benutzt oder verarscht zu werden. Davon hatte ich genug.«
»Ich will dich nicht benutzen, Sven. Ich werde versuchen, dir mein Chaos zu erklären. Aber bitte nicht jetzt. Lass mir ein paar Tage Zeit, um mich zu sortieren.« Sie sah ihn an und legte ihm sanft ihren Zeigefinger auf den Mund. »Das war ein ganz toller Abend und eine sehr schöne Nacht. Das meine ich so. Es tut mir weder leid noch ist es aus Versehen passiert. Nächste Woche reden wir, o. k.?«
Sven hatte großartig gekocht. Nach der Dorade gab es noch Mascarponecreme, anschließend räumte Sven ab. Er lehnte wieder jede Hilfe ab.
»Setz dich rüber ins Wohnzimmer, ich komme gleich mit dem Espresso.«
Christine nahm ihr Weinglas mit, setzte sich auf das schwarze Ledersofa und zog die Beine hoch. Sie fand diese Wohnung schon beim ersten Mal beeindruckend. Sven hatte Geschmack, ihr gefielen die Möbel, die Lampen, die Art, wie er alles eingerichtet hatte. Christine versuchte, die Buchrücken im Regal zu entziffern, er las auch noch Bücher, die sie mochte.
Wenn ich mich nicht in Richard verliebt hätte…, dachte sie und schüttelte diesen Gedanken sofort wieder ab. Vielleicht war sie ja auch gar nicht mehr in Richard verliebt. Christine fragte sich, wie viel Verletzung und Zurückweisung Liebe überhaupt aushielt. Wie lange sie noch Rücksicht nehmen sollte, wie lange noch darauf hoffen, dass Richard irgendwann die Trennung wollte, falls er das überhaupt in Betracht zog. Es ging schließlich um eine Menge Geld. Und die gute Sabine hielt schließlich viel von ihrem Ruf und ihrer Rolle.
Und dann blieb Christine die Geliebte, durfte kommen, wenn es keine Umstände machte, sie hatte ihre Bedürfnisse zurückzustecken, damit aus ihnen kein Druck entstand, sie sollte nicht fragen, aber zuhören, sollte trösten, aber selbst keinen Trost beanspruchen. Wie dämlich bist du?, fragte sie sich, du glaubst doch selbst nicht mehr daran, dass sich irgendetwas ändert.
Sven kam mit dem Espresso und einer Flasche Grappa ins Zimmer. Er stellte alles auf den Tisch, setzte sich neben sie und schenkte ein.
»Prost. Jetzt kannst du mir alle schrägen Gedanken mitteilen, die dich seit unserer Nacht umgetrieben haben. Aber bitte offen und ehrlich, ich kann einiges ab.«
Christine sah ihn lange an, er war ein großartiger Typ. Sie trank ihren Grappa in einem Zug, stellte das Glas auf den Tisch und holte Luft.
»Also, ich habe Richard vor langer Zeit mal in Berlin kennen gelernt…«
Christine erzählte ihre Geschichte so, wie sie war. Der verheiratete Mann, die geschiedene, aber selbstständige Geliebte, die Gefühle, die Qualen. Sie beschrieb die Eifersucht und die Einsamkeit, die Unmöglichkeit, Dinge zu planen, und immer wieder die Hoffnung auf eine Entscheidung. Und sie sprach von den Wechselbädern, wenn unverständliche Dinge passierten, und von dem ewigen und zermürbenden Warten.
Je länger Christine redete, umso weniger verstand sie den Zauber, den sie einmal in dieser Geschichte empfunden hatte. Es klang alles einfach nur schäbig.
Schließlich zwinkerte Christine die aufsteigenden Tränen weg. Sven sah das und strich ihr über die Augen. »Weine ruhig, ich glaube, du hast da ziemlich viel verdrängt. Wie lange hast du das ausgehalten? Drei Jahre?«
Christine nickte und kämpfte weiter gegen die Tränen. Sven musste ihr Elend wirklich nicht mitkriegen. Er war der erste Mann, der seit Richard ein Gefühl in ihr ausgelöst hatte. Und sie wollte nicht heulend neben ihm sitzen. Wenigstens nicht wegen Richard.
Sven schenkte ihr einen zweiten Grappa ein. »Ich hätte nicht gedacht, dass du so etwas mit dir machen lässt. Du wirkst so selbstständig.«
Christine putzte sich die Nase. »Ich hätte das vorher auch nicht von mir geglaubt. Das fing ganz langsam an. Solange sich das Gute mit dem Schlechten die Waage hält, kann man das alles hinkriegen.
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