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erschienen die grobkörnigen Live-Aufnahmen von Fedes Gerät. Das Bild wackelte, während Fede sich durch die Menge drängte.
»Um Himmels willen, Fede, bleib stehen! Geh nicht in den verdammten U-Bahnhof – er wird dir hierher folgen.«
»Wohin soll ich denn sonst gehen? Ich muss zurück ins Büro.«
»Geh auch nicht ins Büro. Nimm dir ein Taxi und fahr ein paar Mal um den Block. Führ ihn nicht zu uns.«
»Das ist doch idiotisch. Warum soll ich nicht einfach die Polizei anrufen?«
»Spar dir die Mühe. Die Polizei macht keinen Handschlag. Das hatte ich schon mal. Ich will die-126
sen Typen nur abschütteln, und zwar so, dass er mich später nicht finden kann.«
»Junge, Junge.«
Art schrie leise auf, als Toms Gesicht in Nah-aufnahme auf seinem Display auftauchte. Während er vorbeiging, warf er den Kopf hin und her.
Er sah aus wie ein wütender Saurier auf der Pirsch.
»Was ist los?«, fragte Fede.
»Das war er. Er ist gerade an dir vorbeigelaufen.
Er darf nicht wissen, dass du etwas mit mir zu tun hast. Geh ins Büro zurück, wir treffen uns da.«
»Hänfling da vorn? Art, der ist gerade mal eins fünfzig groß!«
»Er ist ein kompletter Psycho, Fede. Leg dich nicht mit ihm an, sonst verpasst er dir eine Tesla-Spritze.«
Fede zuckte zusammen. »Ich kann Elektro-
schocker nicht ab.«
»Der Zug kommt. Wir unterhalten uns später.«
»Gut, gut.«
Art stellte sich mit den übrigen Fahrgästen in einer Reihe auf und schob sich am Gas-Chromato-graphen vorbei. Als das Gerät seinen persönlichen Umkreis nach Schwarzpulver abschnüffelte, wurde er leicht nervös. Im Zug riss er unverzüglich ein Hygienetuch von der Rolle unter der Decke ab, schenkte der aufgedruckten V/DT-Werbung nicht einen einzigen Blick, rieb das Edelstahlgeländer ab 127
und zerstampfte die Überreste des Tuches auf dem Boden.
Bewusst bemühte er sich, wieder normal zu atmen und sein rasendes Herz zu beruhigen. Immer noch strömte Adrenalin durch seinen Körper und in seinem Kopf drehte sich alles. Er wollte die Zeit konstruktiv nutzen, doch seine Gedanken schweiften ständig ab. Schließlich gab er auf und ließ ihnen freien Lauf.
Ihn beschäftigte irgendetwas, das mit dem Mann hinter der Theke, dessen Zetteln und mit der I-90 zu tun hatte. Es saß in seinem Hinterkopf, aber er kam einfach nicht dahinter, wie er es he-rauslocken konnte. Der Restaurantbesitzer be-wahrte seine Zettel im Keller auf, damit er sich dort hinsetzen und nachsehen konnte, wie sein Geschäft gewachsen war. Jeder Zettel stand für einen Kunden, den er bedient hatte, ein Klingeln der Kasse, einen Geldbetrag auf der Bank. Autofahrer auf der I-90 nutzten Verkehrsstaus dazu, sich aus den Wagen nebenan Musik herunterzula-den und dann für die Lizenzen der Songs zu bezahlen. Nur bezahlten sie nicht. Sie umgingen das Zahlsystem, indem sie in Rudeln fuhren und von ihren Wagen aus Schwarzkopien anlegten, und das in einem Ausmaß, dass die gute alte Napster-Tauschbörse vor Neid erblasst wäre. Manche Leute gingen dabei völlig wahllos vor und sammelten jeden Song in jedem Wagen ein, der auf der maut-128
pflichtigen Straße unterwegs war. Wie mobile Piratensender kreuzten sie durch die Tunnel, die Boston durchlöcherten, und schoben ihre Beute anderen Fahrern rüber, sobald es Zeit wurde, von der Mautstraße abzufahren und die Musik an der Mautstelle zu bezahlen.
Es waren diese Piraten, die den Betreibern der I-90 wirklich Kopfzerbrechen bereiteten. Zugege-ben, sie hielten das System in Gang. Der durch-schnittliche Furzmobilfahrer hatte höchstens zehn Songs in der Warteschlange. Und die Breitband-verbindung, die auf der I-90 zur Verfügung stand, hatte eine so geringe Reichweite, dass man sich, wenn man in einem Stau festhing, mit einer sehr begrenzten Auswahl begnügen musste. Im Gegensatz dazu agierten die Parasiten als mobile Juke-boxen. Die Polizeistreifen hatten hier schon Wagen mit 300.000 Titeln auf der Festplatte sichergestellt.
Ohne diese gut gefüllten Cache-Speicher auf der Autobahn hätten die Manager der I-90 ein Vermö-
gen dafür ausgeben müssen, das System mit Hilfe eigener mobiler Archive zu kopieren.
Die Piraten waren das kollektive Gedächtnis der Musikhörer auf der I-90.
Oh, was für eine schnuckelige Idee. Das kollektive Gedächtnis der I-90 . Wie die Gelehrten des Mit-telalters, die ganze Texte auswendig gelernt hatten, um sie vor den Verheerungen der Barbarei zu schützen und für die Zukunft zu retten, gaben die 129
Piraten ihre
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