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Titel: Upload Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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aber es gelingt ihm nicht. »Wir alle hier geben unser Bestes. – Wie sind Sie denn überhaupt aufs Dach gekommen, ohne die Alarmanlage in Ihrem Zimmer auszulösen?«
    »Wenn ich Ihnen erkläre, wie ich’s gemacht hab, kann ich den Trick nicht wiederholen«, erwidere ich scherzhaft. Im Moment tupft er mir die Schienbeine mit einem Mittel ab, das zugleich brennt und kühlt. Ab und zu nimmt er eine Pin-226
    zette, zieht einen Kieselstein oder einen Dreck-brocken aus den Wunden und lässt ihn auf ein Stahltablett auf einem Rolltisch an seiner Seite fallen. Er geht so behutsam zu Werk, dass ich kaum etwas spüre.
    »Haben Sie denn noch nie von der Schweige-pflicht der Ärzte gehört?«
    »Gibt’s die etwa immer noch?«
    »Aber natürlich! Gestern erst hat ein Pflicht-seminar zu diesem Thema stattgefunden. Solche Seminare machen immer viel Spaß.«
    »Also sind Sie ein Experte im Bewahren von Ge-heimnissen, wie? Ich nehme an, in diesem Fall könnte ich’s ausspucken.« Und genau das mache ich auch und erkläre ihm, wie ich die Tür so austricksen konnte, dass es den Anschein hatte, ich sei ins Zimmer zurückgekehrt.
    »Na so was. Jetzt, wo Sie’s erklären, klingt es ganz einfach.«
    »Das ist mein Job. Ich werde dafür bezahlt, dass ich mir überlege, wie man etwas am einfachsten bewerkstelligen kann.«
    Und schon unterhalten wir uns über meinen Job bei V/DT. Schnell ufert das Gespräch in eine Diskussion über Theorie und Praxis des benutzerfreundlichen Designs aus, die nur etwas ins Stocken gerät, als er mir das geronnene Blut vom Kiefer kratzt und ihn mit ein paar flinken Stichen zusammennäht. Plötzlich kommt mir der Gedan-227
    ke, dass er mich nur ablenken will, dass er über eine hoch entwickelte Fähigkeit verfügt, Psychopathen durch Small Talk zu besänftigen, während er ihre Körper wieder zusammenflickt. Aber es ist mir egal. Es macht mir einfach Spaß, über ein Thema zu plaudern, auf das ich fast wie ein Autist fixiert bin, und die Umstände sind so, dass ich mir dabei vernünftig, klug, charmant und gelegentlich sogar atemberaubend geistreich vorkommen darf.
    »…und das Ganze finanziert sich selbst über das Mautsystem EZPass, indem Gebühren für die heruntergeladene Musik eingezogen werden, während man auf der Straße ist.« Als ich mit dem Geschwafel aufhöre, fällt mir auf, dass ich ihn abgelenkt habe. Er steht da und hält in einer Hand die Pinzette, in der anderen einen Tupfer.
    »Klasse!«, sagt er. »Und wann geht’s los?«
    »Sie würden mitmachen?«
    »Aber klar! Im Moment habe ich mindestens zwanzig-, dreißigtausend Songs im Wagen! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, kann ich, während ich im Stau stehe, die Stereoanlagen der anderen beliebig und kostenlos abräumen und das ganze Zeug behalten. Und weil ich ein – wie nannten Sie das, Super-Peer ? –, ein Super-Peer bin, ist alles ge-bührenfrei und legal? Spitze!«
    »Na ja, es könnte eine Weile dauern, bis das System an der Ostküste eingeführt wird. Wahr-228
    scheinlich wird’s in Los Angeles losgehen, danach in San Francisco und Seattle …«
    »Was? Wieso?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Und sie endet damit, dass ich in einem gottverdammten Irrenhaus an der Route 128 lande und auf dessen Dach eine Einmann-Hommage an die Komikertruppe Drei Stooges zum Besten gebe.«

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    Drei Tage später begriff Art schließlich, dass etwas Großes und Übles im Anzug war. Fede hatte ihm mehrmals einen Besuch bei Perceptronics ausgeredet, immer fadenscheinigere Argumente vorgeschoben und ihn abgelenkt, indem er die Rezeption des Hotels anrief und ihm Masseure aufs Zimmer schickte. Selbstverständlich ohne Vor-anmeldung. Sie störten Art, während er im eigenen Saft schmorte. Innerlich kochte er vor Wut darüber, dass er trotz der Rückenverletzung tau-sende Klicks weit gereist war, nur um in einem öden Hotel an einer öden Schnellstraße einzu-checken, Däumchen zu drehen und darauf zu warten, dass Fede – der mit seinem fetten Arsch immer noch in London saß – den Schlamassel endlich klärte. Er wollte sich endlich in den Büros von Perceptronics in Acton sehen lassen und die Typen dort auf die gemeinsame Besprechung mit den I-90-Betreibern einstimmen, die in immer weitere Ferne rückte.
    »Meine Güte, Federico, wieso, zum Teufel, bin ich überhaupt hier?«
    »Ich weiß ja, Art, ich weiß.« Art wählte für seine 230
    Anrufe bei Fede bewusst solche Zeiten, die dessen Tag-Nacht-Rhythmus empfindlich störten.

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