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Titel: Upload Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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    Mann mit einem Wortschatz von etwa zweihundert isländischen Vokabeln, die ich von der Mutter eines Schulfreundes gelernt hatte. Die Mädchen waren begeistert von mir und ich hielt sie für blonde Göt-tinnen. Mit einer namens Marta hab ich mich an-gefreundet. Marta, oh Gott! Merken Sie sich Marta, Doktor Szandor. Ich komm noch auf sie zurück, wenn wir beide uns besser kennen. Marta passte auf Maschinchen und Geizhälschen auf, schrecklich verzogene Monsterkinder. Die Eltern waren lei-tende Angestellte der Werbeagentur BBDO. Die beiden hatten sich innerhalb eines Jahres von der Kunstakademie bis in die Vorstandshöhen der Agentur hinaufgearbeitet, nachdem dort die meisten grauen Eminenzen mit einem Arschtritt in den Ruhestand befördert worden waren. Maschinchen war drei und schlug gern irgendwelche Gegenstän-de gegeneinander, völlig unrhythmisch übrigens, und kreischte dazu in den höchsten Tönen. Geizhälschen war fünf, konnte noch nicht allein auf die Toilette gehen und fiel dauernd auf die Nase.
    Ich brachte Marta aus dem Stinkbucks-Laden an der Dreiundzwanzigsten Straße immer einen Becher von diesem grässlichen Kaffee-Verschnitt mit, der eigentlich nur ein aufgemotzter Milch-shake ist, und wir tranken ihn zusammen, während Maschinchen und Geizhälschen mit den anderen Kindern im Park in irgendein schauerliches, lebensgefährliches Spiel vertieft waren.«

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    Ich holte kurz Luft. »Ich zeigte Marta, was ich dabeihatte, war aber taktvoll genug, es nicht als synthetischen Schildkrötenpimmel zu bezeichnen, denn Marta war zwar ein bodenständiges Mädchen, aber so bodenständig nun auch wieder nicht. Ehrlich gesagt, machte es mich irgendwie an, als ich zusah, wie ihre langen, blassblauen Finger das weiche Gewebe streichelten und danach den Schaltkreis auslösten, worauf das Zeug sofort hart wurde. Auf einmal kommt Maschinchen rüber, reißt Marta das Ding aus der Hand, drischt damit auf Geizhälschen ein und hat eine diebische Freude daran, dass das Zeug, wenn man’s drückt, abwechselnd hart und weich wird.
    Geizhälschen balgt sich mit ihm herum, nimmt ihm das Ding weg und flitzt damit zu einer Traube von Kindern hinüber. Als ich dort ankam, hatten sich alle um sie versammelt und waren völlig fasziniert. Ich fuhr mit einem Taxi ins Apartment meines Kumpels zurück und nahm alles Eregin, das ich in die Finger bekam, in den Park mit. In den nächsten Stunden hab ich dann eine im-provisierte Zielgruppenanalyse durchgeführt, indem ich die Kinder und ihre scharfen Kindermädchen dabei beobachtete, wie sie mit dem Zeug herumspielten. Als Marta mich mit ihren langen, kühlen Fingern an der Hand berührte und sagte, es sei jetzt Zeit, die Kinder für ein Nickerchen nach Hause zu bringen, hatte ich bereits 243
    fünfundzwanzig Ideen für Spielzeug, hatte mir acht verschiedene Möglichkeiten ausgedacht, wie man das Zeug als Kleiderverschluss verwen-den kann, und diverse andere Einsatzmöglichkeiten ausgetüftelt, darunter die für ein transpor-tables Kinderbett. Noch am selben Nachmittag rief ich meinen Kumpel an und erzählte ihm die ganze Geschichte; er wiederum rief seinen Chef an. Es endete damit, dass ich das Thanksgiving-Dinner im Haus seines Chefs in Westchester ein-nahm.«
    »Hatten Sie denn keine Angst, dass er sich Ihre Ideen unter den Nagel reißen würde, ohne etwas dafür zu bezahlen?« Szandor ist von der Geschichte so gefesselt, dass er unbewusst eine Bandage auf- und wieder abwickelt.
    »Der Gedanke ist mir gar nicht gekommen.
    Natürlich hat er genau das versucht, aber es hat ihm nichts genützt. Diese Leute waren Techniker; sie hatten keine Ahnung, wie normale Menschen mit ihrer Umgebung interagieren. Und man sah dem Zeug nicht ohne weiteres an, welche Vorzüge es hatte – da konnten sie sich noch so viele tolle Funktionsmöglichkeiten ausdenken und ein drei Finger dickes Handbuch erstellen. Nachdem sie sechs Monate an Prototypen herumgebastelt hatten, riefen sie mich an und boten mir eine zwei-prozentige Beteiligung an allen Produkten an, die ich für sie entwarf.«

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    »Das muss doch ein Vermögen gewesen sein«, wirft Szandor ein.
    »Würde man annehmen, nicht? Leider haben sie Pleite gemacht, ehe sie etwas auf den Markt bringen konnten. Sie hatten ihr ganzes Kapital in die Forschung und Entwicklung gesteckt und spä-
    ter nichts mehr übrig, um zu produzieren. Aber mein Kumpel fand bald eine neue Stelle in einer Firma, die an neuartigen Küchenutensilien aus osmotischen

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