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Titel: Upload Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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darüber, welche Thera-pien einen Patienten umgänglicher und gesel-liger machen. Man muss dazu nur erfassen, welche Patienten wie häufig Zeit mit anderen Patienten verbringen. Auf diese Weise würden Sie auch empirische Anhaltspunkte für Therapie-erfolge bekommen.«
    »Mann, das ist ja toll. Verdammt schlau! Wie stellen Sie das an?«
    Vor Stolz schwillt mir mal wieder der Kamm. Es gefällt mir, wenn Leute merken, wie gut ich in meinem Job bin. Die Arbeit für V/DT hat meinem Ego heftig zugesetzt; was kein Wunder ist, schließ-
    lich hatte ich dort einen echten Scheißjob und habe die schlechtesten Benutzer-Szenarien ent-worfen, die man den Leuten überhaupt noch un-terjubeln konnte. Meine Güte, hab ich das tatsächlich volle zwei Jahre durchgestanden?

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    »Das ist mein Job.« Ich zucke bescheiden die Achseln.
    »Was berechnen Sie für eine solche Arbeit?«
    »Wieso, wollen Sie in den Markt einsteigen?«
    »Wer weiß? Wenn mir eingefallen ist, wie ich Sie hier raus bringen kann, könnten wir uns vielleicht zusammentun, eine Firma gründen und neuartige Klapsmühlen entwerfen.«

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    Lindas erster Besuch bei Arts Großmutter verlief reibungslos. Als sie Art und Linda an der Union Station empfing, hatte Oma einen hinfälligen Gepäckträger dabei, der ungefähr so alt war wie sie, ein Überbleibsel aus einer vornehmeren Epoche des Schienenverkehrs, in der die Zugpas-sagiere noch sperriges Gepäck mit sich herum-schleppten. Schon sein Anblick genügte – sofort schwirrten Art Pläne für Förderbandsysteme, Ge-päckaufzüge und Gepäckwagen-Ausgaben durchs Hirn. Art und Linda hatten so wenig Gepäck dabei, dass es sich kaum lohnte, den alten Herrn zu be-mühen, aber er markierte ihre Gepäckstücke pflichtbewusst mit einem Stück Kreide, wuchtete sie auf seinen Karren und rollte ihn zu den Dienst-aufzügen.
    Oma umarmte Art ausgiebig und verdrückte ein paar Tränen. Sie war nicht so zerbrechlich, wie er sie in Erinnerung hatte, sondern wirkte größer und stämmiger. Der Geruch ihres Puders und die vertraute Akustik der gewölbeartigen Bahnsteige von Union Station versetzten ihn zurück in seine Kindheit in Toronto, in häuslichere Zeiten, bevor er 254
    angefangen hatte, mit seinem Tag-Nacht-Rhythmus herumzuspielen.
    »Oma, das ist Linda.«
    »Oh, wie schön, dich endlich kennenzulernen.«
    Oma griff nach Lindas Händen. »Nenn mich Julie.«
    Linda schenkte ihr ein hübsches, breites Lä-
    cheln, das ihre Zähne blitzen ließ. »Julie, Art hat mir alles über dich erzählt. Ich bin mir ganz sicher, dass wir bald gute Freundinnen sein werden.«
    »Aber natürlich. Seid ihr hungrig? Habt ihr im Zug was zu essen bekommen? Nach einer so langen Reise seid ihr bestimmt erschöpft. Was möchtet ihr zuerst tun, essen oder ausruhen?«
    »Also, wenn’s nach mir geht, würde ich mir gern die Stadt ansehen«, erwiderte Linda. »Dein Enkel gähnt allerdings schon seit Buffalo.« Sie legte Art einen Arm um seine Hüfte und zwickte ihn in den Bauch.
    »Was seid ihr doch für ein schönes Paar. Du hast mir gar nicht erzählt, dass sie so hübsch ist, Arthur.«
    »Jetzt geht’s los«, sagte Art. »Gleich fragt sie, wie’s mit Urenkeln aussieht.«
    »Red keinen Blödsinn.« Oma gab ihm einen spielerischen Klaps auf den Kopf. »Warum musst du immer so übertreiben!«
    »Also, ich halte es für eine glänzende Idee«, er-klärte Linda. »Wie viele wollen wir haben? Zwei?
    Drei? Vier?«

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    »Am besten gleich zehn.« Art küsste sie auf die Wange.
    »Oh, zehn schaffe ich nicht, aber fünf sind ein guter Kompromiss. Also machen wir fünf. Das erste nennen wir Julie, wenn’s ein Mädchen wird, oder Julius, wenn’s ein Junge ist.«
    »Ich sehe schon: Wir werden gut miteinander auskommen.« Oma führte die beiden zur Straße, wo der Gepäckträger ihre Taschen in ein Taxi geladen hatte.
    Sie aßen bei Lindy’s an der Yonge Street zu Abend, mitten im Rotlichtviertel. Das Steakhaus existierte schon seit fast einem Jahrhundert, und die mit verschlissenem rotem Vinyl überzogenen Sitzbänke und die fetten, mit Meerrettich und klassischer englischer HP-Sauce überhäuften Ripp-chen waren noch genauso, wie Art sie in Erinnerung hatte. Auf der Fahrt zum Restaurant waren Art die Lichter der Stadt zwar bezaubernd, aber sehr bescheiden vorgekommen; nach einer Woche New York empfand er selbst die Werbetafeln über den Pornoläden als überaus dezent. Nachdem er ein Steak vom Umfang seines Schädels verspeist hatte, versank

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