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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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sollen, war es aber nicht.
    Der Vorfall im Bestattungsinstitut hätte ihm Spaß machen sollen. Doch er hatte sich kein bisschen amüsiert.
    Er war nicht deprimiert, aber er war auch nicht in Hochstimmung. Emotional war er in den Leerlauf abgeglitten.
    Bisher war er noch nie im Leerlauf gewesen. Als er untätig in seiner luxuriösen Suite herumsaß, machte ihn die Leere in seinem Innern – das Vakuum an der Stelle, wo sich bislang der Spaß befunden hatte – nervös.
    Seit dem schaurigen Vorfall mit den Zeichnungen in Brian McCarthys Küche entzog sich ihm das Vergnügen. Er hatte sich in seinem üblichen raschen Tempo voranbewegt, war wie immer fröhlich am Rande des Abgrunds entlanggeturnt und hatte so unbekümmert wie eh und je Verbrechen begangen; aber der Zauber war verflogen.
    Sein Leben war ein Roman, eine schwarze Komödie, eine übermütige Erzählung, die jede Autorität verhöhnte, ein existenzieller Jux. Er hatte einfach nur ein schlechtes Kapitel erwischt, das war alles. Er musste die Seite umblättern und mit einer neuen Szene beginnen.
    Vielleicht würde der Roman auf dem Nachttisch ihn aus dem Leerlauf herausholen. Einer der Koffer enthielt Kleidung und persönliche Habe, der andere Waffen; vielleicht würde er wieder in die Gänge kommen, wenn er ein Weilchen mit den Waffen spielte.

    Er saß auf einem Sessel im Schlafzimmer und starrte abwechselnd das Buch und den Koffer mit den Mordinstrumenten an.
    Er machte sich Sorgen. Wenn er es mit dem Buch probierte und ihm das keinen Auftrieb gab und er dann die Waffen auseinandernahm und sie wieder zusammensetzte und auch das seine Stimmung nicht besserte, würde seine Lage verfahren sein.
    Vollkommener Stillstand war fürchterlich, ganz und gar kein erstrebenswerter Zustand, eine Sackgasse, aber in einem wahrhaft existenziellen Leben sollte es unmöglich sein, diesen Punkt überhaupt zu erreichen. Da er selbst alle Regeln aufstellte, nach denen er lebte, konnte er neue Regeln aufstellen, sobald ihn die alten zu langweilen begannen, und schon würde er sich wieder aufmachen, voller Elan durch die Gegend schwirren und seinen Spaß haben.
    Er dachte zu viel nach und damit machte er sich selbst nervös.
    Wichtig war nur, in Bewegung zu sein und zu handeln, nicht irgendein Sinn in der Bewegung und ebenso wenig irgendwelche Folgen seines Handelns. Sinn existierte nicht, und die Folgen waren nie von Belang.
    Er versuchte es mit dem Buch. Das war sein erster Fehler.

48
    Ein paar Minuten nach zwei Uhr morgens erwachte Amy aus einem Traum, der von den Geräuschen schlagender Flügel erfüllt gewesen war. Der Atem stockte in ihrer Kehle und im ersten Moment erkannte sie ihre Umgebung nicht.
    Eine Lampe auf einem Beistelltisch mit einem Handtuch über dem Lampenschirm diente als Nachtlicht.
    Santa Barbara. Das Motel. Sie hatten eine Unterkunft gefunden, wo Hunde erlaubt waren, es aber nur noch ein unbelegtes Zimmer für die Nacht gab.
    Brian hatte sie endlich ins Bett gekriegt; aber es war ihr eigenes Bett, eines von zweien in dem Zimmer. Und ein Wachhund lag bei ihr.
    Während sie den Schlaf abschüttelte, hatte sie geglaubt, das tosende Flügelschlagen wäre im Zimmer, nicht in ihrem Traum. Das konnte aber nicht wahr sein, da sowohl Brian in dem anderen Bett als auch Nickie neben ihr unbeirrt weiterschliefen.
    Sie hatte keine Erinnerung an den Traum, da war nur das Geräusch von Schwingen, die durch die Luft schnitten. Im Schlaf musste sie nach Connecticut zurückgekehrt sein und die Möwen mussten wieder einmal erschrocken aufgestoben sein.
    Wenn man Psychologen und Schlafspezialisten glaubte, konnte man sich in einem Traum niemals selbst sterben sehen. Es hieß, man könnte über längere Zeiträume hochgradig gefährdet sein, würde aber im vorletzten Moment
erwachen. Sogar im Traum, behaupteten sie, sei das menschliche Ego zu stur, um seine Sterblichkeit einzugestehen.
    Aber Amy hatte sich schon in Träumen sterben sehen. Mehrfach, immer in jener Nacht in Connecticut.
    Vielleicht hatte sie eine unterbewusste Todessehnsucht. Das überraschte sie nicht.
    In jener Winternacht vor fast neun Jahren hatte sie um ihr Leben gekämpft und überlebt. Danach hatte sie ironischerweise eine Zeit lang keinen zwingenden Grund mehr gehabt, am Leben zu bleiben.
    In den Tagen, die unmittelbar auf jene Nacht gefolgt waren, fragte sie sich, warum sie sich eigentlich gewehrt hatte. Der Tod wäre leichter gewesen als das Leben. Der Schmerz, der sie nahezu in Stücke riss, hätte

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