Urangst
aber das weiß man, wenn man sich darauf einlässt. Man weiß, dass einen Leid erwartet, dass man einen Hund verlieren wird und dass der Schmerz groß sein wird, und daher kostet man mit ihm den Augenblick bis zur Neige aus und unterlässt es niemals, seine Freude zu teilen oder sich für seine Unschuld zu begeistern, denn die Illusion, ein Hund könnte ein Gefährte fürs Leben sein, lässt sich nicht aufrechterhalten. Es liegt eine solche Schönheit in dieser brutalen Aufrichtigkeit und auch darin, dass man es akzeptiert und einem Hund seine Liebe schenkt, während einem ständig bewusst ist, dass der Preis unzumutbar sein wird. Vielleicht ist die Liebe zu Hunden eine Form der Buße für all die anderen Illusionen, die wir uns gestatten, und für die Fehler, die wir aufgrund dieser Illusionen machen.«
Lieber Gott, aus diesen Worten sprach nicht die geringste Unbeholfenheit. Sie waren die reine Wahrheit über die letzten acht Jahre, die sie damit zugebracht hatte, Hunde zu retten, für die sie aber niemals diese Formulierungen gefunden hätte.
Eine Zeit lang war jedes weitere Wort unnötig und sie überschütteten den Hund, diese lebendige Nickie, mit der Zuneigung, die sie füreinander empfanden.
»Michael ist ins Ausland geflohen«, sagte sie nach einer Weile, um ihren Bericht abzuschließen. »Sie haben ihn nie gefunden. Obwohl er nicht nach Argentinien zurückgekehrt ist, hatte er sich in Buenos Aires ein einwandfreies
Alibi besorgt. Seine Freunde dort haben geschworen , er sei in jener Nacht mit ihnen zusammen gewesen. Das half ihm natürlich nicht, nachdem ich ihn gesehen und diese Begegnung überlebt hatte. Was für Menschen waren das bloß, die einen Eid auf eine Lüge geschworen haben, von der sie wussten , dass es eine Lüge war, wenn es ohnehin nichts mehr nutzte, einen Eid darauf zu schwören?«
Nachdem er durch seine Heirat und die Zeugung eines Kindes Anspruch auf sein Erbe erheben konnte, hatte Michael keine weitere Verwendung für eine Familie. Von Rechts wegen stand einer Ehefrau ein Teil seines Reichtums zu, und dasselbe galt auch für ein Kind. Amy und Nicole waren keine Vermögenswerte mehr, sondern Verbindlichkeiten, und er musste sie aus seinen Büchern eliminieren.
Für diese kleine Buchhaltertätigkeit hätte er jemanden engagieren können, aber er musste sich Sorgen gemacht haben, ein bezahlter Killer würde keine Skrupel haben, sich aufs Erpressen zu verlegen. Außerdem wies die Brutalität der Morde darauf hin, dass Michael die Tat nicht nur deshalb selbst begangen hatte, um zu vermeiden, dass man ihn erpressen konnte, sondern auch, weil ihm das Töten echtes Vergnügen bereitete.
Die Polizei fand heraus, dass er trotz seines hieb- und stichfesten Alibis Vorsichtsmaßnahmen für die Möglichkeit getroffen hatte, dass man ihn verdächtigen könnte. In den drei Jahren, die jener Nacht vorausgegangen waren, hatte er den größten Teil seines Vermögens nach und nach aus den Vereinigten Staaten abgezogen, wobei diese Gelder ein komplexes Netzwerk von Investitionen und Körperschaften durchlaufen hatten, das nicht nur der Geldwäsche diente, sondern auch dazu, es unter einer alternativen Identität, die sich niemals zurückverfolgen ließ, griffbereit zu haben.
Die Eltern waren am Boden zerstört, als sie erfuhren, was ihr Sohn angerichtet hatte; sie waren freundlich zu Amy gewesen und hätten sie wie ihre eigene Tochter behandelt. Aber sie hatte den Geschmack am Luxus verloren, und die Lebensweise, die sie früher genüsslich ausgekostet hatte, übte auf sie keinen größeren Reiz mehr aus als die Vorstellung, sich von Essig und Asche zu ernähren.
Amy hatte das nach Abzug aller Belastungen vergleichsweise geringe Eigenkapital, das Michael in Vermögenswerten wie ihren mit Hypotheken belasteten Häusern, zurückgelassen hatte, zu Bargeld gemacht. Selbst das erschien ihr noch zu sehr wie Blutgeld und sie wusste, dass sie etwas finden musste, was sie mit ihrem Leben anfangen konnte, um ihr Kapital wieder reinzuwaschen.
Michaels kalte Berechnung und die extreme Brutalität, mit der er seine Opfer behandelt hatte, sprachen dafür, dass er nicht für den Rest seines Lebens seelenruhig auf einer tropischen Insel bleiben, faul in der Sonne liegen und Piña Coladas trinken würde. Durch ihre Gegenwehr hatte sie ihn gezwungen abzutauchen; noch schlimmer war, dass sie ihn, sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinne, verwundet hatte.
Wenn ein Mann keinerlei Demut besitzt, ist der
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