Urangst
Helligkeit und die majestätische Erscheinung der Eichen – all das kam Amys Vorstellung vom Himmel so nahe, wie man ihr diesseits des Todes nur irgend kommen kann.
Golden Heart hatte dieses knapp fünf Hektar große Anwesen aus dem Nachlass von Julia Papadakis erhalten, die viele Golden Retriever vom Zeitpunkt ihrer Rettung bis zu ihrer endgültigen Vermittlung bei sich aufgenommen und gepflegt hatte.
Julias einzige noch lebende Angehörige, eine Nichte namens Linnea, die mit ihrer Erbschaft von dreißig Millionen Dollar unzufrieden gewesen war, hatte das Testament angefochten. Sie war darauf aus gewesen, auch dieses wertvolle Stück Land ihrem Portfolio einzuverleiben. Linnea konnte sich Anwaltskosten in Millionenhöhe leisten. Für Amys Gegenangriff standen nur sehr begrenzte Mittel zur Verfügung.
Obwohl es schon seit Jahren existierte, verfügte Golden Heart nach wie vor über keine anderen Büroräume als Amys Arbeitszimmer, und es gab auch keine Einrichtungen zur Pflege und Unterbringung von Hunden, nur die Privathäuser Freiwilliger, die die Tiere bei sich aufnahmen. Wenn Amy mehr Hunde mitbrachte, als die Mitglieder vorübergehend in Pflege nehmen konnten, war sie gezwungen, sie
in den Zwingern der Tierkliniken unterzubringen, die ihr zumindest einen Rabatt einräumten.
Doch es ging ihr gegen den Strich, auch nur einen einzigen geretteten Hund in einer Klinik oder einer Hundepension in Pflege zu geben. Selbst wenn es sich nicht um geprügelte oder von Zecken verseuchte Tiere handelte, so waren die Hunde doch verängstigt und brauchten weitaus mehr Zuneigung als das, was ihnen die Mitarbeiter dort geben konnten.
Hier auf diesem Hügel, auf dieser Wiese, würde sie voller Entschlossenheit und mit Gottes Hilfe den Bau einer Einrichtung überwachen, in der Golden Heart gerettete Neuankömmlinge in Empfang nehmen, sie beurteilen, sie baden und auf ihr neues Zuhause vorbereiten konnte. Für diejenigen, die nicht so rasch dauerhaft untergebracht oder bei Privatpersonen in Pflege gegeben werden konnten, würden großzügig angelegte Zwinger mit Heizung und Klimaanlage, mit sauberen Schlafstellen und Personal rund um die Uhr bereitstehen. Zur Einrichtung würde eine bescheidene kleine Klinik gehören, ein gut ausgestatteter Hundesalon, ein eingezäuntes Gelände zum Spielen und Herumtollen, ein Trainingsraum für die Grundausbildung, ein Spielzimmer für regnerisches Wetter …
Aber solange Julias Vermächtnis nicht erfolgreich vor Gericht verteidigt war, kamen nur Amys Kids in den Genuss dieser sonnigen Wiese und des Schattens der Eichen. Fred und Ethel tollten jetzt durch das hohe Gras, jagten einander und wurden von der Witterung eines Kaninchens oder Eichhörnchens in die eine oder andere Richtung gelockt.
Nickie blieb an der Seite ihrer Herrin.
Amy war von der asphaltierten Straße abgebogen und mit ihrem Geländewagen querfeldein gefahren. Sie hatte
ihn auf der Kuppe des Hügels geparkt, während der Land Rover auf dem Seitenstreifen der Schnellstraße angehalten hatte.
Da sie offenbar weder die Gerüche der freien Natur noch die Aussicht zu spielen reizte, blieb Nickies Konzentration auf das Fahrzeug tief unter ihnen gerichtet.
Amy hatte Renatas Fernglas mitgenommen, machte sich aber gar nicht erst die Mühe, es zu benutzen. Der Fahrer blieb in dem Wagen sitzen und auf diese Entfernung würde sie sein Gesicht auch mit dem ausgezeichneten Feldstecher nicht sehen können.
Sie fragte sich, ob vielleicht Linnea Papadakis sie überwachen ließ.
Eine einstweilige Verfügung hinderte Golden Heart zwar daran, dieses Land zu erschließen, bis über Linneas Anfechtung des Testaments entschieden war, aber man hatte Amy nicht untersagt, das Grundstück aufzusuchen. Sie konnte sich nicht vorstellen, was sich Linnea davon versprach, sie überwachen zu lassen.
Ein leises Knurren stieg tief aus Nickies Kehle auf.
24
Als er sich in jedem Winkel umgesehen hatte und die Durchsuchung des Hauses vollständig abgeschlossen war, stand Vernon Lesley in Amys Küche und rief mit seinem Handy Bobby Onions an.
»Bist du noch an ihr dran?«
»Ich wäre lieber auf ihr drauf.«
»Geh mir nicht auf die Nerven.«
»Sie ist draußen auf diesem Feld.«
»Auf welchem Feld?«
Onions hatte ein Satellitennavigationssystem, das dem neuesten Stand der Technik entsprach und auf dem Computerbildschirm des Fahrzeugs exakt den Standort seines Land Rovers anzeigte, den Breiten- und den Längengrad in Grad und Minuten angab. Er las
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