Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
Vom Netzwerk:
und das könnte auf sie zutreffen oder auch nicht.
    Normalerweise hält dieser Zustand nur für ein paar Minuten an. Aber wie überall gibt es auch hier untypische Fälle, und Moongirl ist in jeder Hinsicht untypisch.
    Vielleicht kann sie sich in einer Anwandlung von Automatismus stundenlang mit ihren Fußnägeln beschäftigen, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass sie sich gerade ihrer Körperpflege widmet. Dann hätte sie hinterher keine Erinnerung an das Schneiden, Feilen und Lackieren.
    Es ist durchaus denkbar, dass sie in diesem Zustand einen Mann töten könnte, ohne sich bewusst zu werden, dass sie eine Gewalttat begeht, und ohne jede Erinnerung an den Mord.

    Er würde gern zusehen, während sie in dieser Verfassung einen Menschen tötet. Wie atemberaubend schrecklich ihre Schönheit in einem solchen Moment sein müsste: Augen und Gesichtszüge ausdruckslos, während sie ein langes Walfischmesser schwingt.
    Er bezweifelt, dass sie in dieser Verfassung jemals einen Menschen getötet hat oder es jemals tun wird, denn das Morden – vor allem durch Feuer – ist das Einzige, was ihr die Außenwelt zu bieten hat, um Langeweile zuverlässig abzuwenden. Sie braucht nicht in Trance zu töten, da sie bei vollem Bewusstsein ohne Gewissensbisse töten kann und es sie mit tiefer Zufriedenheit erfüllt.
    Häufig verbringt sie den größten Teil des Tages mit ihrer Körperpflege. Sie ist grenzenlos fasziniert von sich selbst und ihr Körper ist ihr bestes Mittel gegen die Langeweile.
    Manchmal verbringt sie den Großteil eines Tages damit, ihr goldenes Haar zu waschen, mehrere Spülungen aus Naturprodukten nacheinander aufzutragen, es langsam in der Sonne trockenzubürsten und sich Kopfhaut und Nacken ausgiebig zu massieren.
    Obwohl er von Natur aus unruhig ist, kann Harrow stundenlang bei ihrer Körperpflege zuschauen. Nicht nur ihre makellose Schönheit beschwichtigt ihn, sondern auch ihre unendliche Ruhe und ihre vollkommene Selbstversunkenheit. Außerdem weckt sie in ihm ein seltsam hoffnungsvolles Gefühl, aber bisher ist es ihm noch nicht gelungen herauszufinden, was er sich eigentlich erhofft.
    Im Allgemeinen betreibt Moongirl den Körperkult in vollkommener Stille, und Harrow ist sich nicht sicher, ob sie seine Gegenwart überhaupt wahrnimmt. Diesmal spricht sie ihn jedoch nach einer Weile an. »Hast du von ihm gehört? «
    »Nein.«

    »Ich habe diesen Ort satt.«
    »Wir bleiben nicht mehr lange.«
    »Ich kann ihm nur raten, sich bald zu melden.«
    »Er wird sich melden.«
    »Ich habe den Lärm satt.«
    »Welchen Lärm?«, fragt er.
    »Die Brandung. Die Wellen, die sich an der Küste brechen. «
    »Die meisten Menschen mögen das.«
    »Es bringt mich zum Nachdenken.«
    »Nachdenken worüber?«
    »Über alles.«
    Er erwidert nichts darauf.
    »Ich will nicht nachdenken«, sagt sie.
    »Worüber?«
    »Ich will über nichts nachdenken.«
    »Wenn das erledigt ist, gehen wir in die Wüste.«
    »Ich kann nur hoffen, dass es bald so weit ist.«
    »Nur Sand und Sonne, keine Brandung.«
    Mit trägen, bedächtigen Pinselstrichen malt sie einen Fußnagel purpurrot an.
    Als sich die Erde langsam von der Sonne abwendet, breiten die gefiederten Schatten der Kiefer ihre Flügel fast bis zum Haus aus.
    Jenseits dieses Fleckens Gras, unter den aufgetürmten Schichten von Granitplatten und außer Sichtweite, schlagen Wellen an den Strand.
    Im Westen hat das Meer das Blau von Geschützlegierungen angenommen und wirkt hart und kalt. Alchemistisch verwandelt es das geschmolzene Gold des Sonnenscheins in schillernde Schuppen aus Stahl, die sich wie die Metallprofile von Kriegsmaschinen heranwälzen.
    Nach einer Weile sagt sie: »Ich hatte einen Traum.«

    Harrow wartet.
    »Darin kam ein Hund vor.«
    »Was für ein Hund?«
    »Ein Golden Retriever.«
    »Das war ja anzunehmen, oder?«
    »Ich mochte seine Augen nicht.«
    »Was war mit ihnen?«
    Sie sagt nichts.
    Dann, nach einer Weile: »Töte ihn, wenn du ihn siehst.«
    »Wen – den Hund?«
    »Ja.«
    »Es war doch nur ein Traum.«
    »Aber es gibt ihn auch in Wirklichkeit.«
    »Das ist keine gefährliche Rasse.«
    »Dieser schon.«
    »Wenn du meinst.«
    »Töte ihn, sowie du ihn siehst.«
    »In Ordnung.«
    »Töte ihn gründlich.«
    »In Ordnung.«
    »Töte ihn rücksichtslos.«

23
    Eine schwache auflandige Brise spülte goldenes Gras in Wellen die Wiese hinauf zur Hügelkuppe und die langgestreckten Schatten der Eichen kräuselten sich.
    Der süße Duft des Grases, die strahlende

Weitere Kostenlose Bücher