Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Titel: Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
Vom Netzwerk:
Ich dachte, ihr solltet bereits vor einiger Zeit zurückkommen. Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
    »Tut mir leid.« Ich warf ihm ein um Entschuldigung bittendes Lächeln zu.
    Daniel nahm seinen Helm von der Sitzbank des Motorrads und reichte ihn mir. Angesichts der Tatsache, dass ich im Gegensatz zu ihm über übermenschliche Heilungskräfteverfügte, fand ich es immer witzig, dass er darauf bestand, dass ich den Helm tragen sollte. Andererseits war eine böse Kopfverletzung offenbar eines der wenigen Dinge, die, abgesehen von Silber und bestimmten Dämonengiften (einschließlich Werwolf), einen Urbat umbringen konnten, wenn sie nicht schnell genug behandelt wurde. Das hatte ich zumindest gelesen. Wahrscheinlich war dies auch die Ursache dafür, dass Daniels Monstervater – als er seinen Sohn im Alter von nur dreizehn Jahren angriff – versucht hatte, seinen Kopf mit dem abgebrochenen Teil einer Staffelei aufzustemmen. Sein Vater hatte Daniels Tod gewollt.
    Daniel stieg auf das Motorrad, ich setzte mich hinter ihn. Er war so still und distanziert, dass ich nicht wusste, was er empfinden würde, wenn ich, wie sonst üblich, meine Arme um seine Taille schlang. Stattdessen hielt ich mich mit den Händen an seinen Hüften fest. Daniel startete das Motorrad und wir rollten vom Parkplatz auf die Crescent Street. Während wir fuhren, sah er sich nicht einmal zu mir um; er blickte nur starr geradeaus.
    Die nächtliche Luft zwischen uns fühlte sich kalt und schwer an und barg all die Dinge in sich, die ich ihm sagen wollte, aber plötzlich nicht mehr konnte. Ich rutschte auf meinem Sitz etwas zurück, ließ Daniel los und überließ mich meinem übernatürlichen Gleichgewichtssinn. Wie konnte es nur sein, dass ich mich mit Talbot auf der Rückfahrt zum Bus so total wohlgefühlt hatte, doch jetzt mit Daniel auf dem Motorrad nicht einmal mehr wusste, wohin ich mit meinen Händen sollte?
    Wir hielten vor unserem Haus. Daniel stützte sich mit dem Fuß ab und schaltete in den Leerlauf, ließ den Motor jedoch laufen. Er hatte nicht vor, lange zu bleiben. »Wir sehen uns morgen.«
    Ich nahm den Helm ab und gab ihn Daniel zurück. Als er ihn entgegennahm, vermied er, meine Finger zu berühren. Ich trat einen Schritt zurück, bereit, ins Haus zu gehen.
    Doch ich konnte nicht.
    Ich konnte nicht noch einmal ohne Antworten weglaufen. Ich hätte es schon beim letzten Mal nicht tun dürfen, auch wenn es dazu geführt hatte, dass ich die Grenze überschritten und zum ersten Mal volle Kontrolle über meine Kräfte erlangt hatte.
    »Was um alles in der Welt ist los?«, fragte ich Daniel. »Wieso benimmst du dich so, als ob du total sauer auf mich wärst?«
    Daniel kniff die Augen zusammen. Er stieß einen kleinen Seufzer aus und presste dann die Lippen fest aufeinander.
    »Tut mir leid, dass ich gestern weggerannt bin. Und es tut mir auch leid, dass ich dich heute den ganzen Tag ignoriert habe. Es ist nur so, dass du mir nicht die Wahrheit darüber gesagt hast, wo du neulich abends gewesen bist. Und zu allem Überfluss konnte ich einfach nicht fassen, dass du mich gegenüber Gabriel nicht unterstützt hast. Aber ich bin jetzt nicht länger sauer. Es war schon während des Religionsunterrichts vorbei, aber wegen dieses Schulprojekts hatte ich dann keine Gelegenheit, mit dir zu sprechen.«
    Und dann hab ich die nächsten zwei Stunden allein mit einem anderen Jungen verbracht.
Ich fand auf einmal nicht mehr, dass jetzt der passende Zeitpunkt war, um ihm von Talbot zu erzählen. »Ich möchte einfach nur verstehen, warum du dich so verhältst. Und ich möchte nicht, dass du sauer auf mich bist. Ich kann das nicht mehr aushalten.«
    »Ich hab’s dir schon gesagt, Gracie. Ich bin nicht sauer. Ich mache mir Sorgen.«
    Seine Worte erschreckten mich. Hatte Jude nicht einmal fast dasselbe zu mir gesagt? Damals, als Daniel zurückgekommen war, und Jude wollte, dass ich mich von ihm fernhielt?
    »Sorgen worüber? Sag’s mir bitte.«
    Daniel fasste nach dem Lenker des Motorrads. Der Motor rumpelte zwischen uns. Er legte den Kopf zurück und blickte zum halbvollen Mond am Himmel hinauf; seine tiefen dunklen Schlammtörtchen-Augen blinzelten nicht. Der Walnussbaum gleich hinter ihm, beleuchtet von der Verandalampe, schuf den perfekten Hintergrund für seine Silhouette. Wäre dies irgendein anderer Moment gewesen, hätte ich sofort meinen Zeichenblock herausgeholt, um die Schönheit dieses Anblicks einzufangen. Doch ihn jetzt in dieser Stimmung vor

Weitere Kostenlose Bücher