Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)
Allerbeste war dieser Farbspritzer von roter Schärpe, der meine Taille fast unnatürlich schmal aussehen ließ. Wie ein kleines Mädchen wirbelte ich vor dem Spiegel herum.
Zu schade, dass Daniel mich in diesem Outfit nicht sehen konnte.
Das Einzige, was mich unsicher machte, waren die dünnen Spaghetti-Träger. Mom war ziemlich rigoros, was Ärmel an meiner Kleidung betraf. Doch sie war mit ihren Spätschichten an der Klinik so beschäftigt gewesen, dass sie mein Kleid nicht einmal sehen wollte, nachdem ich es gekauft hatte.
Ich fuhr mit den Händen über meine nackten Schultern und erschauderte.
»Keine Angst«, sagte April. »Ich habe ein Cape mitgebracht. Ich hab’s aus strategischen Gründen unten gelassen, so dass du es erst umlegen musst, wenn Pete dich schon so gesehen hat.«
»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.«
Die Türklingel läutete.
»Showtime.« Aprils Lippen schienen sich aufzublähen; der rosafarbene Lippenstift passte haargenau zum Farbton ihres blassrötlichen Kleids. Sie nahm meine Hand und führte mich zur Treppe, wo wir unseren ›großen Auftritt‹ haben sollten.
Jude, der sich bei Pete umgezogen hatte, damit April und ich ungestört sein konnten, blickte verdrießlich drein, sah in seinem schwarzen Anzug aber ziemlich tollaus. Er reichte April ein Anstecksträußchen aus fünf pinkfarbenen Rosen. Pete trug ein marineblaues Sakko und hellbraune Hosen, schloss die Lippen um seine Finger und stieß ein langes anerkennendes Pfeifen aus, als er uns erblickte.
Meine nackten Schultern fühlten sich warm und kratzig an. Ich konnte den strengen Blick auf dem Gesicht meiner Mutter sehen. »Ich hoffe, du hast etwas zum Drüberziehen«, sagte sie, als Pete mich mit einem Kuss auf die Wange begrüßte.
»Es liegt mit meiner Handtasche im vorderen Zimmer«, sagte April.
Während Mom das Cape holen ging, beugte sich Pete zu mir und flüsterte: »Du siehst wirklich göttlich aus – ganz
Divine
.« Dann küsste er mich wieder auf die Wange, dieses Mal allerdings so tief unten, dass es fast mein Hals war. Er roch nach einer extra Portion seines würzigen Deodorants und irgendetwas seltsam Süßlichem, das ich nicht einordnen konnte.
Ich trat einen Schritt von ihm weg und ließ mir von meiner Mutter das rote Seidencape eng um die Schultern legen.
»Sei froh, dass dein Vater noch nicht zurück ist, junge Dame«, raunte mir Mom ins Ohr. »Sonst würdest du überhaupt nicht ausgehen.«
Ein Teil von mir wünschte sich, dass er da gewesen wäre. Irgendwie war es falsch, dieses Date zu haben – und das nicht nur wegen meines gebrochenen Versprechens. Es war mir nicht im Mindesten unangenehm gewesen, alsDaniel mich so geküsst hatte, doch mit Pete war es etwas anderes. Als Mom ein paar Bilder von uns machte, hatte er diesen Ausdruck in den Augen, der mich irgendwie schaudern ließ. Es war derselbe Blick wie früher, wenn ich mit den Jungs in der Sackgasse Hockey gespielt hatte; so als hätte er beschlossen, unter allen Umständen zu gewinnen.
Wir stolzierten zur Tür hinaus. Pete zog mich dicht an seine Seite und winkte meiner Mom zum Abschied zu. Ich war froh, dass wir alle zusammen im Corolla fuhren.
»Wow, ist es wirklich schon so spät?«, fragte ich, als mir die Uhr am Armaturenbrett auffiel. »Schaffen wir es nach dem Essen überhaupt rechtzeitig zur Party?« Es war schon fast sieben, und die Jungs hatten ein Restaurant im Geschäftsviertel der Innenstadt ausgewählt. Die anderen aus unserer Truppe würden fast schon fertig sein, wenn wir dort eintrafen. Die Aussicht, so spät noch unterwegs zu sein, ließ mein gebrochenes Versprechen noch schlimmer erscheinen.
»Ja«, sagte April. »Ihr Jungs seid echt spät dran.«
»Ich bin kurz vorm Verhungern«, ergänzte ich stöhnend und versuchte den wahren Grund für meine Besorgnis angesichts der Zeit zu verbergen.
»Mir dürft ihr die Schuld nicht geben«, sagte Pete. »Unser Jude hier hat anscheinend plötzlich vergessen, wie er vom Blumenhändler wieder nach Hause kommen sollte. Er hat drei Stunden gebraucht, um eure Anstecksträußchen abzuholen.«
April blickte Jude an. Er erwiderte nichts zu seiner Verteidigung. Ich beschwerte mich nicht weiter, hoffte allerdings, dass er nicht den ganzen Abend in seinem Schneckenhaus bleiben würde.
Pete legte mir den Arm um die Schulter. Obwohl es ein überraschend warmer Abend war, fröstelte ich. Die Luft stand still, und es war nicht einmal so kalt, dass man einen Mantel gebraucht
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