Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
zu. Slade und die anderen Jungen folgten ihm.
Daniel wollte ihnen hinterherlaufen. »Nein. Lass sie das übernehmen. Komm mit. Ich muss nachsehen, was mit Jude ist. Wenn jemand angerufen hat, dann war es wahrscheinlich er.«
Wir rannten die Treppe hinunter, die in den Keller führte. Die Luft war hier frischer, und je weiter wir kamen, desto weniger war von dem Faule-Eier-Geruch zu spüren. Im stockdunklen Keller fasste ich nach dem Lichtschalter, doch als ich das Licht einschalten wollte, passierte gar nichts. »Der Strom ist weg.«
»Schon in Ordnung«, sagte Daniel. »Ich kann sehen.«
Ich aktivierte meine Superkräfte und konzentrierte mich ebenfalls auf meine Nachtsicht.
Dann liefen wir um eine Ecke und rannten auf die Tür von Judes Käfig zu. Allerdings war sie nicht mehr da. Sie war aus den Angeln gerissen und beiseitegeworfen worden – wie der Deckel einer Konservendose. Judes Pritsche war hochgeklappt worden, die Decke lag auf dem Fußboden und der umgestürzte Fernseher lag obenauf.
Jude war verschwunden.
»Was ist hier bloß passiert? Ein Kampf? Ist Jude entführt worden?«
»Vielleicht versucht ja auch nur irgendwer, es so aussehen zu lassen«, sagte Daniel, ging in die Hocke und untersuchte die verbogenen Türangeln.
»Was meinst du damit?«
»Ich weiß nicht … Aber diese Tür wurde von innen herausgerissen.«
»Hey, Leute!«, rief Slade von oben. »Ihr solltet mal raufkommen.«
Daniel wandte sich von der Gittertür ab, hob etwas vom Fußboden auf und reichte es mir. Der Mondsteinanhänger. Das Lederband war zerrissen.
Ohne ein Wort zu sagen, stopfte ich den Mondstein in meine Tasche. Dann liefen wir nach oben.
Slade stand am Rand der Treppe und hielt etwas in den Händen, das nach einer versengten Coladose aussah.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Eine selbst gemachte Blendgranate. Wir haben auch Gasgranaten gefunden. Sie sind bewusstlos – im Gemeindesaal sind alle bewusstlos.«
»Sind sie in Ordnung? Ich meine, bist du sicher, dass sie nicht …?«
»Es war bloß Betäubungsgas. Ihnen wird ziemlich übel sein, aber in ein paar Minuten sind alle wieder wach. Aber weißt du was, Grace?« Er hielt die Coladosengranate in die Höhe. »Das hier ist eine von Brents Erfindungen.«
»Wie bitte? Ich verstehe nicht, was du meinst. Brent ist die ganze Zeit bei uns gewesen.«
»Ich weiß, aber das hier war kein üblicher, altmodischer Akh-Überfall. Das ist das Werk der Shadow Kings. Sie waren hier und haben alle mit Gas betäubt.«
Ich sah zu Daniel. »Wozu sollten sie Sirhans Männer außer Gefecht setzen?«
»Sirhan!«, rief Daniel und stürzte zur Tür hinaus, um zur Rückseite des Gebäudes zu laufen. Slade und ich folgten ihm. Wir rannten durch die kleine Gasse zwischen Pfarrkirche und Schule und wären beinahe mit Gabriel zusammengestoßen.
»Ich bin, so schnell es ging, hergekommen«, sagte er.
»Wir reden später«, sagte Daniel. »Folg mir.«
Wir rannten zu der kleinen Hausmeisterwohnung. Schon von Weitem konnte ich sehen, dass die Tür offen stand. Irgendetwas Großes und Pelziges lag davor. Daniel und Gabriel wollten keine Zeit verlieren und sprangen darüber hinweg, um die Tür zu erreichen. Aber plötzlich fiel mir etwas auf – der zerrissene Stoff einer blauen Robe und der zerbrochene Griff eines Schwerts lagen in einer Blutlache unter diesem pelzigen Etwas. Es war ein Wolf – einer von Sirhans Wächtern. Ein toter Wächter.
Ich betrat die kleine Wohnung und wäre hinter der Tür fast über einen weiteren toten Wolf gestolpert.
»Nein!«, schrie Gabriel. »Nein!«
Ich blickte auf das Bett, das den größten Teil des Raumes einnahm. Eine verkümmerte, ledrige graue Gestalt lag darauf. Ein silberner Speer ragte aus ihrer eingesunkenen Brust. Das Fell an der Einstichwunde war blutdurchtränkt.
»Sie haben Sirhan getötet?«, fragte Slade, der hinter mir stand.
»Nein«, erwiderte Daniel und beugte sich über den Körper. Seine Finger betasteten Sirhans schrumpeligen Hals. »Er hat noch einen Puls. Zumindest eines seiner Herzen schlägt. Er ist noch nicht tot.«
»Was?« Gabriel nahm Sirhans Handgelenk und fühlte seinen Puls. »Ja, er ist noch bei uns. Aber nicht mehr lange.«
»Schnell!«, sagte ich. »Wir müssen ihn hier wegbringen.« Es war völlig undenkbar, die Zeremonie der Herausforderung auf dem Gelände der Pfarrkirche abzuhalten. Die Shadow Kings hatten sie mit ihrem Überfall schon zur Genüge entweiht. »Er darf hier nicht sterben!«
»Die
Weitere Kostenlose Bücher