Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
hatte.
»Lass uns reingehen.« Daniel stieg aus dem Wagen und kam zu meiner Seite. Dann öffnete er mir die Tür. »Leere deinen Geist, und ich bin sicher, dass dir die richtigen Worte schon einfallen werden. Jude ist nicht völlig verloren.«
In der Pfarrkirche
Unsere Schritte hallten im leeren Treppenhaus wider, während wir in den Keller der Pfarrkirche hinabstiegen. Jude hatte uns offenbar schon gehört. Als wir den Raum betraten, stand er an der Tür seiner Zelle.
»Was willst du hier?«, fauchte er mich an. »Ich hab doch gesagt, dass du nie wieder herkommen sollst …« Sein Blick fiel auf Daniel. Abrupt trat er ein Stück von der Zellentür zurück. »Und was macht er hier? Warum hast du ihn hergebracht?«
»Hallo, Jude«, sagte Daniel.
Jude fletschte die Zähne. »Der verlorene Sohn kehrt also wieder mal zurück. Haben sie eine Party für dich geschmissen? Hat irgendwer dir zu Ehren ein Festessen veranstaltet? Würde mich interessieren, denn alles, was ich bekam, war diese verdammte Zelle.« Jude ergriff die Gitterstäbe mit beiden Händen und rüttelte daran.
Ich schaute in seine Augen. Sie wirkten hart und bitter, wie bei einem angreifenden Wolf. Ich schaute weg.
Du hättest nicht kommen sollen, fauchte der Dämon in meinem Kopf. Du machst alles nur viel schlimmer.
»Wir beide wissen doch genau, dass du diesen Käfig jederzeit verlassen könntest«, sagte Daniel. »Ich glaube, dass du hierbleibst, weil du es möchtest. Weil es in deiner einsamen Zelle einfacher ist, als mit den Menschen zusammen zu sein, die dich lieben.«
Judes Hände lösten sich vom Gitter. »Du weißt gar nichts über mich.«
»Ich weiß mehr, als du bereit bist zuzugeben. Ich bin genau da gewesen, wo du jetzt bist. Und habe gefühlt, was du jetzt fühlst.«
»Sei still! Halt’s Maul! Du weißt nicht das Geringste. Fahr zur Hölle!« Jude spuckte in Daniels Richtung.
»Jude, bitte!«, versuchte ich ihn zu beruhigen.
»Ich habe dir nichts zu sagen, Grace.«
»Jude, es tut mir so leid, was ich dir wegen der Krankenschwester vorgeworfen habe. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich hätte das nicht tun dürfen. Aber mir ist klar geworden, dass ich das gesagt habe, weil ich noch immer so wütend auf dich war. Ich wusste einfach nicht, was ich glauben sollte.« Ich trat näher an das Gitter heran und umklammerte die Stäbe. Dann sah ich direkt in die silbrig glänzenden Augen meines Bruders. »Aber jetzt bin ich gekommen, um dir zu sagen, dass ich dir vergebe.«
Jude kniff die Augen zusammen. Als er sie wieder öffnete, sah ich das, was ich gerne sehen wollte. Für einen winzigen Augenblick blitzte in seinen Augen etwas Weiches und Violettes auf. Dann wurden sie wieder unnahbar und glänzten silbrig. Irgendetwas Menschliches lebte und atmete noch immer in meinem Bruder. Jude war immer noch da und musste mich gehört haben – auch wenn sich der Dämon in ihm jetzt wieder dagegen sträubte.
Aber ich war bereit zu kämpfen.
»Du vergibst mir?!«, brüllte Jude. » Du. Vergibst. Mir?« Die Angeln der Zellentür quietschten, als er das Gitter packte. Wenn er gewollt hätte, wäre die Tür sofort aus ihrer Verankerung herausgefallen. Instinktiv wollte ich einen Schritt zurücktreten, blieb aber stehen.
»Genau wie ich«, sagte Daniel und stellte sich neben mich.
»Wie könnt ihr es wagen?«, fragte Jude. »Ihr seid diejenigen, die mich um Vergebung bitten sollten. Ihr habt mir das alles angetan!«
»Ich habe es schon einmal gesagt«, fuhr Daniel fort, »aber wenn nötig, wiederhole ich es eine Million Mal: Es tut mir furchtbar leid, dass ich dich infiziert habe. Ich habe die Kontrolle verloren, genauso wie du jetzt. Ich weiß nicht, ob ich jemals in der Lage sein werde, mir selbst zu vergeben. Nicht, solange du mir nicht vergibst.«
»Darauf kannst du lange warten«, erwiderte Jude, lockerte jedoch den harten Griff um das Gitter.
»Du hast völlig recht, Jude«, sagte ich leise. Er sah mich an und schien überrascht, dass ich ihm zustimmte.
»Ich sollte dich um Vergebung bitten. Aber bevor ich erwarten kann, dass mir vergeben wird, muss ich selbst vergeben. Und deshalb sage ich es dir noch mal, sodass kein Zweifel besteht.« Ich trat so nahe wie möglich an die Zellentür heran und lehnte meinen Kopf an das Gitter. »Ich vergebe dir.«
»Sag das nicht! Du hast kein Recht, so etwas zu sagen. Ich bin nicht derjenige, der falsch gehandelt hat. Alles, was ich getan habe, ist eure Schuld. Ihr beide habt mir das alles
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