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Urlaub fuer rote Engel

Urlaub fuer rote Engel

Titel: Urlaub fuer rote Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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Kopf … Nein, wir 10 sind keine Schleimer und Kriecher.
     Wir hatten nur Glück … Als alles schon zu spät war, der Betrieb völlig darnieder, hatte der alte Chef, Herr F., den neuen
     Unternehmer von drüben gefunden. Und der versprach, den Betrieb und 10 Mann, 10 Mann!, zu übernehmen. 10 Mann – und alle hier
     dachten nur eins: Das werden F. und 9 seiner Getreuen sein. 490 geopfert und nun selbst überleben … Da erwachte noch einmal
     der Kampfgeist – wir besetzten den Betrieb, bis der F. entlassen wurde.«
    »Und wer bestimmte die 10 glücklichen kleinen Negerlein?«
    »Der Betriebsrat.«
    Doris Keller, die Vorsitzende, treffe ich vor ihrem niedrigen, verschachtelten Häuschen. Sie diskutiert mit einem jungen Mann,
     der früher Messerschmied war und nun nach drüben geht, um als Hilfsarbeiter Gipskartonplatten anzunageln. Sie versucht nicht,
     ihn zu halten.
    »Auch wenn wir Arbeiter den Betrieb drei Monate besetzen würden, Arbeitsplätze könnten wir dadurch keine erzwingen.« Sie kämpft
     um Abfindungen und Sozialpläne. Denn nach seinem Rausschmiss hat der alte Chef zwar nicht den geleasten Betriebs-Mercedes
     vergessen, aber die Unterschrift für den Sozialplan.
    Früher war Doris Keller Stanzerin, die 46-Jährige hat heute wegen ihrer Funktion Kündigungsschutz, aber 10 Leute brauchen
     keinen Betriebsrat. »Mein Arbeitslosengeld und das meines Mannes wird wohl nicht die Hälfte dessen sein, was der F. einsteckt
     …« Und völlig unvermittelt sagt sie: »Ich kaufe jetzt wieder den billigen DDR-Senf in den Plastebechern, was soll ich auch
     jede Woche mit einem neuen leeren Glashenkeltöpfchen? Den Senf gibt’s noch, die alten DDR-Strumpfhosen, die die Frauen hier
     verlangen, schon nicht mehr … Und unsere guten, billigen, aber schlecht verpackten Küchenmesser … Wir haben die Neugierde
     teuer bezahlen müssen.«
    Im Nachbarhaus von Doris Keller wohnt Herbert Kurzke, einer der Klammermacher aus der Blinden- und Versehrtenwerkstatt. Ich
     klingele. Der Mann öffnet die Tür nur einen Spaltbreit. Erst nach vielen Erklärungen lässt er mich herein. Verstört setzt
     er sich in der Küche an den Tisch. Hier hätte er 16 Jahre lang Woche für Woche gesessen und mit einem kleinen Maschinchen
     die Klammern gebastelt … »Man war im Leben noch zu was nutze.« Zuvor hatte er im Steinbruch gearbeitet und beim Straßenbau.
     Dort sei es 1973 so schlimm geworden mit den Augen, dass er froh war, hier zu Hause … »Vor genau 16 Monaten hat man uns nun
     gesagt: Wir brauchen eure Klammern nicht mehr! Und am 27. Juli werden es genau 11 Monate, dass meine Frau nun gestorben ist
     …«
    Ich verabschiede mich und brauche einen Schnaps. In der Kneipe »Zum Löwen« sitzen nur 5 Männer am sonntäglichen Stammtisch,
     8 weniger als in der Kirche … Ich notiere mir ihre Gespräche.
    »Die Jungen gehen alle weg, Steinbach kriegt im nächsten Jahr nicht mal mehr eine Fußballmannschaft zusammen …« – »Die Ehen
     halten das nicht aus, der Mann nur am Wochenende zu Hause …« – »Wir werden die Armedei von Deutschland …«
    Ich frage, ob ich mich zu ihnen setzen darf. Sie nicken und sind froh, als ich sage, weshalb.
    »Wir dachten schon, Sie kämen vom neuen Thüringer Verfassungsschutz …«
    Die 5 am Tisch: Rudi Haupt, 47, Elektroingenieur, er war 7 Monate ohne Arbeit. »Aber in die Kneipe bin ich trotzdem – zu Hause
     wird man nur aggressiv.« Nun hat er einen neuen Job gefunden, er wird zusammen mit einem finanzkräftigen Partner Kabelbäume
     herstellen.
    Hans Jürgen Füller, 42, Polier: »Ich habe es aufgegeben, eher findest du einen Fünfer im Lotto als eine neue Arbeit.«
    Die anderen zwei, der »Ammrich« (seine Mutter war die Steinbacher Amme) und Michael Heinz aus dem Wälzkörperwerk, sind »Gott
     sei Dank schon Rentner«.
    Der Jüngste ist Klaus Mihm. 1971 wurde er aus seinem Heimatort Geismar im Grenzgebiet ausgewiesen. Er hat hier kurz mal in
     der Messerfabrik und anderswo gearbeitet. Dann wurde er »Lebenskünstler«. Wenn er kein Geld mehr hatte, reparierte er den
     Leuten die Fernseher. Krank war er nie. Zum Leben hätte es gereicht. Nur heute, die neuen Westfernseher, da wisse er nicht
     einmal, wie sie aufgeschraubt würden. Aber er sähe Chancen für sich, schließlich hätte er von allen Steinbachern die meisten
     Erfahrungen, wie man ohne Arbeitüberlebt, die müsse er nun nutzen. Und vielleicht werde er vom Wirt Freibier dafür bekommen …
    Früher hatte der »Löwe«

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