Urlaub im Höllenclub
Nur war sie dünner, aber der Schlag hatte sie schon überrascht.
Sie torkelte plötzlich durch die Luft, und in ihrer Nähe gab es nichts, das als Stütze hätte dienen können. Die Wucht trieb sie sogar aus den Bereich des Sonnensegels und über die Reling hinweg. Daß sie im Wasser verschwand, sah ich nicht mehr, war allerdings davon überzeugt.
»John«, sagte Glenda nur. »John, das war verdammt knapp.«
Ich nickte. Erst jetzt erreichte mich das Zittern. Es war das Nachbeben des Schocks. »Sie hätte uns schon Schwierigkeiten machen können, wenn ich ehrlich bin.«
Ich kniete mich hin und breitete die beiden Kofferhälften vor mir aus. Es gab keine weitere Schlange mehr im Gepäck. Glenda’s Koffer inspizierten wir ebenfalls. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich gewisse Dessous sah, was Glenda nicht gefiel, denn sie hielt mir eine Hand vor die Augen.
»Das ist nicht für dich bestimmt.«
»Ich hätte auch nicht reingepaßt.«
»Trotzdem.«
»Haben wir nicht ein Doppelzimmer?«
»Das hat nichts zu sagen.«
Glenda’s Koffer war schlangenfrei, und sie war sehr froh darüber. Als sie ihn wieder geschlossen und sich auf die Bank gesetzt hatte – die übrigen Fahrgäste hatten von unserer Aktion nichts bemerkt –, sagte sie: »Die Überraschungen reißen nicht ab. Allmählich fühle ich mich wie in einer gewaltigen Falle.« Sie blickte zu einer Insel, deren Gestade immer näherrückten und auf der sich ein großer Bau abhob, unser Hotel. Es schimmerte nicht weiß, sondern leicht roséfarben, als hätte es die Strahlen einer allmählich sinkenden Sonne aufgesaugt.
»Hotel Paradise«, murmelte Glenda. »Paßt irgendwie, denn die Schlange hatten wir schon.«
»Bleiben nur noch Adam und Eva.«
»Die sitzen hier auf dem Boot.«
»Und woher bekommen wir den Apfel?«
»Nicht von Abel, sondern von Kain.« Sie räusperte sich. »Erst der Tote und dann dieser Anschlag auf uns. Dabei wollten wir die Insel unerkannt betreten.«
»Du vergißt den Jungen.«
Sie stieß mich an. »Stimmt, John, er hat uns gewarnt. Er muß etwas bemerkt haben.«
»Kann sein, daß Gästen öfter Schlangen in die Koffer gesteckt werden. Sozusagen als Begrüßungspräsent.«
»Das glaubst du doch selbst nicht. Ich jedenfalls bin gespannt, was uns im Paradies erwartet.«
»Vielleicht sogar der Teufel«, sagte ich leise...
***
Es gab nicht nur die Hotelboote, die Adventure Island anliefen, sondern auch ganz normale. Sie schafften Touristen heran, die sich die Insel auf einem etwa einstündigen Rundgang anschauten und den Luxus dort bestaunten.
Die Anlagen durften sie natürlich nicht benutzen. Das Hotel selbst war für sie tabu. Sie konnten mal schnuppern, was sie auch reichlich taten, denn es gab immer wieder Prominente aus dem Showgeschäft, die auf Adventure Island Urlaub machten und dann natürlich gern entdeckt wurden.
Das Hotel nahm nicht das gesamte Gebiet der Insel ein. An der Ostseite war sie ursprünglich geblieben.
Dort hatte sich Wals ausbreiten können, und in seinem Schatten standen die Häuser derjenigen, die auf der Insel beschäftigt waren. Kein Vergleich zum Luxus des Hotels, aber es waren genügend Freiluftbuden und Stände da, um die Touristen zu versorgen. So verdienten sich die Familien der Mitarbeiter noch ein gutes Zubrot mit Drinks, Bier, kleinen scharfen Gerichten aus der kreolischen Küche und natürlich Andenkenkitsch.
Das Boot, mit dem Suko fuhr, war recht voll. Schnatternde Touristen, die unaufhörlich von der Landschaft schwärmten und dabei fotografierten wie die Weltmeister.
Dem Trubel war Suko entgangen. Er hatte sich einen Platz am Bug ausgesucht, der relativ leer war. Dort wehte ein etwas schärferer Wind, der hin und wieder auch schaumige Gischtspritzer über Bord schüttete und Suko abkühlte.
Seine Reisetasche hatte er zwischen die Beine geklemmt. Kein anderer machte ihm den Platz streitig.
Die nächsten Touristen waren so weit von ihm entfernt, daß er nur ihre Stimmen hörte, aber nicht verstand, was sie sagten.
Das Boot näherte sich der Insel.
Von der Luft aus hätte sie ausgesehen wie ein flacher Pfannkuchen. Das Bild veränderte sich jetzt, als Suko das mächtige Hotel sah, das einfach die Insel beherrschte. Es bestand aus zwei hohen Türmen, die durch eine gläserne Brücke miteinander verbunden waren. So etwas paßte einfach nicht auf die Insel. Hier hätte man flacher bauen müssen. Bungalows, Häuser, die von der Landschaft überragt wurden und nicht
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