Urlaub mit Papa
Herr, der uns gestern Abend entgegenkam. Und so freundlich grüßte.«
Mechthild Weidemann-Zapek beugte sich über den Tisch, ihr Busen lag kurz auf dem gefüllten Teller.
»Stimmt, das ist er. Sehr sympathisch.« Sie richtete sich wieder auf und sah mich rügend an. »Wir werden uns selbst vorstellen. Danke, wir brauchen nichts mehr.«
Ein kleines Stückchen Teewurst fiel von ihrer Weste.
Bis Gesa in die Küche kam, um mir zu sagen, dass sie jetzt den Frühstücksraum übernehmen könne und ich freie Fahrt zu den Farbeimern hätte, war Johann Thiess noch nicht aufgetaucht. Dabei hatte ich so darauf gehofft.
»Geh ruhig rüber.« Gesa nahm sich einen Kaffee und lehnte sich an den Kühlschrank. »Es sind fast alle Gäste durch, den Rest erledige ich.«
Der Rest verursacht mir aber Herzklopfen, dachte ich und warf frustriert den Lappen in die Spüle. Gesa verstand es falsch.
»Ich hätte auch keine Lust zu streichen. Du hast deinen Vater einfach nicht im Griff.« Sie lachte. »Marleen hat mir alles erzählt. Also schräg ist Heinz schon.«
»Sehr lustig, Gesa, ich hoffe, dein Vater erwischt dich demnächst mal beim Rauchen. Ich gehe, die beiden Grazien haben übrigens ihren Tisch wieder völlig verwüstet. Viel Spaß. Und grins mich nicht so blöd an, kümmere dich um dein eigenes Elternhaus.«
Mit geradem Rücken und innerlich fluchend verließ ich die Küche und sah auf dem Hof Kalli in Gefahr. Er stand mit verzweifelter Miene zwischen Frau Weidemann-Zapek und Frau Klüppersberg, die beide lautstark auf ihn einredeten. Ich verlangsamte noch nicht einmal das Tempo, er war schließlich ein erwachsener Mann. Sein Ruf klang kläglich.
»Christine, hallo. Warte. Bitte! Ich komme mit.«
Kalli ließ die beiden stehen und lief hinter mir her.
»Hilfe. Was war das denn?«, flüsterte er und hakte sich Schutz suchend bei mir unter.
Wir gingen langsam nebeneinander her, ich spürte Blicke, die sich zwischen meine Schulterblätter bohrten.
»Das, Kalli, waren die größten Fans meines Vaters. Das Michelinmännchen heißt Mechthild Weidemann-Zapek und der Traum in Blau Frau Klüppersberg, den Vornamen weiß ich leider nicht.«
»Hannelore. Sie heißt Hannelore Klüppersberg, aber ich soll sie Hanne nennen. Seit wann kennt Heinz sie denn? Weiß deine Mutter davon? Und was hast du mit Beton zu tun?«
»Sie haben Heinz auf der Fähre kennengelernt, das ist alles noch ganz frisch. Da müssen wir meine Mutter noch nicht beunruhigen. Das mit dem Beton erzähle ich dir mal in Ruhe, vielleicht brauche ich dazu auch deine Hilfe.«
Kalli schüttelte sorgenvoll den Kopf. »Sicher helfe ich dir. Der Heinz hat aber auch immer einen Schlag bei Frauen. Das war früher schon so. Wenn es gefährlich wurde, hat er sich aber immer verkrümelt. Und ich musste die Damen dann nach Hause bringen, das war nicht schön. Und da habe ich auch keine Lust mehr zu, dafür bin ich jetzt wirklich zu alt.«
»Dann sag ihm das.« Ich drückte die Tür zur Kneipe auf und sah meinen Vater mit unglücklichem Gesicht auf einer umgedrehten Kiste sitzen. »Da ist der Draufgänger. Mach ihm das gleich klar.«
Vor der Kiste schauten wir auf ihn runter. Heinz guckte hoch. Kalli ging in die Knie.
»Na?«
»Na?« Heinz schüttelte seine Hand, an der noch Reste vom Klebeband hingen. »Ich hasse diesen Kleber an den Fingern.« Er schüttelte stärker. »Das ist ekelhaft.«
»Heinz, ich habe gerade auf dem Hof zwei Damen kennengelernt. Sie…«
»Kalli, also wirklich. Du bist 74 und außerdem verheiratet. Und überhaupt, ich habe jetzt für die Erörterung deines Liebeslebens gar keine Zeit. Und solche Gespräche will ich vor den Mädchen auch nicht führen.«
Kalli wurde rot. »Aber Heinz…«
Mein Vater sah ihn vorwurfsvoll an. »Kalli, nicht jetzt. Wir reden später.«
Dorothea war neugierig zu uns gekommen. »Was ist mit Kallis Liebesleben?«
»Siehst du!« Die Empörung meines Vaters war so groß, dass er aufsprang. »Man kann doch ein bisschen diskret sein. Nichts, Dorothea, Kalli hat kein Liebesleben, er ist 74.So, machen wir weiter?«
Dorothea musterte den Raum. »Das hoffe ich. Du bist noch gar nicht fertig mit dem Abkleben. Die ganze Ecke hier vorne muss noch gemacht werden. Kalli und Christine, ihr könnt mit dem hinteren Teil anfangen, die Farbeimer stehen schon da.«
Mein Vater setzte sich wieder und pulte weiter das Klebeband von seinen Fingern ab. »Es klebt so widerlich. Ich habe keine Lust mehr. Ihr könnt euch doch Mühe geben.
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