Urmel aus dem Eis
Schuppe zu entdecken, nicht sein Nilpferdkopf, nicht sein langer Hals, nicht sein Schwanz. Schusch lugte in Felsspalten. Er glitt mit ausgebreiteten Flügeln über Täler und Höhen. Er duckte sich unter dichte Äste, um sich vor dem Hubschrauber zu verbergen. Und schließlich flog er sogar übers Meer zu Seele-Fant, obwohl er noch nie gehört hatte, daß das Urmel schwimmen oder fliegen könne — aber wer wußte denn, was für Fähigkeiten es in seiner Angst entwickelte?
Seele-Fant unterbrach sein Lied. Mit gerunzelter Stirn brummte er: „Dös öst eun söltsamör Tag — ömmörzo bökommö öch Bösoch. Nöcht daß öch möch nöcht daröbör freutö — abör könntöt Öhr ös nöcht eun wönög vörteulön? Tagölang kömmört söch nömand om möch, ond dann wödör kommö öch vor lautör Gotöntagsagön nöcht möhr zom Söngön!“
„Äst das Urmel här?“
„Ach neun — das auch noch? Wönn do öhm bögögnöst, sag öhm doch, ös möchtö eun andörmal kommön!“
Schusch starrte in die schäumende See. Wie hoffnungslos war doch alles!
Sechzehntes Kapitel:
In dem das Urmel endlich gefunden wird und sofort wieder verschwindet
Wo aber war das Urmel nun wirklich? War es verzaubert, hatte es der Erdboden verschluckt?
Es war gerannt und gerannt und wußte selbst am allerwenigsten, wohin! Es holterdiepolterte blindlings dahin, lange, lange. Bis seine Kräfte nachließen. Da duckte es sich schnaufend unter ein Gebüsch — und blickte in ein funkelndes Augenpaar. „Hilfe!“ schrie es entsetzt.
„Ach, du! Du hast mich ja gantsch schön erschreckt! Wie kommst du denn hierher?“ fragte Wawa.
„Hilfe!“ quiekte das Urmel. „Der König... päng!... Urmel futsch!“
„Wie bitte?“
„Piff — paff! Bum — bum — bum! Auwauwauwau...“
„Sonderbar...“, grübelte Wawa.
„Danz, danz slecklich!“ piepste das Urmel. „Ich bin durch und durch ersossen, mausetot, urmeltot, bloß weil ich auch eine Pinzessin oda... oda... so was Ähnliches werden wollte!“
Wawa verstand noch immer nicht. Er hatte ja seine Muschel verlassen, lange bevor König Pumponell auf die Insel kam. Und als er dem geheimnisvollen Klang folgte, der aus der Höhle kam, sah und hörte er nichts mehr von all dem, was am Tageslicht geschah.
So dauerte es lange, bis er wenigstens das Allernötigste begriffen hatte. Endlich rief er: „Ich weiß ein sicheres Versteck für dich! Ich bringe dich in eine wundervolle Höhle!“
„Ich will aba nich in die Hölle!“ schluchzte das Urmel. „Rasch! Rasch!“ drängte Wawa, denn die Äste wurden soeben im Wirbelwind der Hubschrauberflügel flachgebürstet. Er zog das ängstliche Geschöpf zum Höhleneingang. Und kaum umfing sie das Dämmerlicht, hörten sie aus dem Berg Homi die leisen, seltsamen Klänge.
Verzaubert stellte das Urmel die Fledermausohren.
„Hier bist du sicher“, raunte ihm Wawa zu. „Bleib aber an dieser Stelle! Rühr dich nicht, geh weder hinein noch hinaus! Ich lasse dich jetscht allein, um dem Professor tschu sagen, daß ich dich gerettet habe!“
Stolz schlüpfte er hinaus.
Erst überkam das Urmel ein Gefühl schrecklicher Verlassenheit. Nach und nach aber überwog seine Neugier. Zunächst schnupperte es nur in die Richtung, aus der die Töne und ein süßlicher Duft kamen. Schließlich aber setzte es zögernd einen Fuß vor den anderen. Den Schwanz hinter sich herschleifend, drang es immer tiefer ins Unbekannte vor.
Siebzehntes Kapitel:
In dem verschiedene Pläne verworfen werden
Die Fenster und Türen des Arbeitszimmers standen weit offen. Im Durchzug flatterten die Papiere vom Schreibtisch und trudelten über den Boden.
Niemand hob sie auf. Dem Professor waren jetzt alle Studien und Bücher der Welt gleichgültig. Und Wutz hätten selbst Staubwolken nicht aus ihren trüben Gedanken aufschrecken können.
Wo war das Urmel?
Immer wieder erschütterte das Donnern des Hubschraubers das Haus. Die Wände zitterten. Im Schrank klirrte das Geschirr.
Sie waren alle hierher zurückgekehrt in der Hoffnung, von den anderen gute Nachrichten zu hören. Vergebens!
Es gab nur einen Trost: Wenn sie das Urmel nicht gefunden hatten, würde es der König vielleicht auch nicht entdecken. Und solange er über der Insel kreiste, bewies das seinen vorläufigen Mißerfolg.
Wo Wutz den Boden anstarrte, bildeten sich kleine Pfützen, in die es unablässig aus ihren Augen hineintropfte: silberne Tränenperlen. Sie schnaubte: „Gib mir mal dein Taschentuch,
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