Urod - Die Quelle (German Edition)
auf die Karte – kein Irrtum möglich! Das war ihr Ausgrabungscamp. Der Ort, an dem sie in den nächsten Wochen ihr Praktikum absolvieren sollten.
Violas spürte unter der bleiernen Müdigkeit, die sie jetzt überfiel, immer noch das Gefühl rumoren, dass es besser wäre, auf der Stelle umzukehren und, wenn es sein musste, nach Hause zu kriechen. Der angrenzende Wald machte sie nervös und sie ertappte sich dabei, wie sie immer wieder einen Blick über ihre Schulter warf. Bewegte sich dort am Waldrand nicht etwas?
„ Was war das da gerade?“
Sebastian nahm ihre Hand in die seine.
„ Nichts, Schatz, das ist nur der Regen. Keine Sorge, was auch immer da unterwegs war, es hatte mehr Angst vor uns als wir vor ihm.“
Doch auch er wirkte unruhig, einzig Lea schien eher verdutzt als ängstlich.
„ Wo sind die bloß alle? Hallo? Keiner zu Hause?“, schrie sie.
Ihre naive Art nahm den anderen ein wenig die Anspannung.
„ Wahrscheinlich sind sie im nächsten Dorf, um neuen Proviant zu kaufen und haben sich da noch einen genehmigt“, meinte Sebastian.
Enza hatte sich einige Meter nach vorne gewagt und kniff die Augen zusammen, um in dem stärker werdenden Regen etwas sehen zu können. Doch alles versank in dem grauen Schleier des Zwielichts. Sie ging auf die ganz rechts liegende, kleinste Baracke zu und leuchtete mit ihrer Taschenlampe durch das Fenster in den Raum hinein. Die anderen waren ihr gefolgt und standen nun dicht hinter ihr.
„ Siehst du was?" fragte Lea.
Enza schnaubte.
„ Nicht viel. Da stehen ein paar alte Bettgestelle, wenn ich das richtig erkenne. Das Fenster ist total verdreckt. Sonst wirkt es aber ziemlich verlassen. Scheint nicht so, als habe da in letzter Zeit jemand übernachtet."
„ Da hinten in der Baracke brennt Licht!“ rief Lea plötzlich.
Tatsächlich! Durch die Zwischenräume der größten der drei Baracken schimmerte nun gedämpftes Licht. Lea stieß einen Freudenschrei aus und schickte sich an, zur Baracke zu laufen, doch Thomas pfiff sie zurück.
„ Warte!“
Bei dem scharfen Ton seiner Stimme, hielt Lea sofort inne.
„ Warum?“
„ Ich geh lieber erst nachsehen, was da los ist. Wenn alles ok sein sollte, rufe ich euch“, schlug Thomas vor.
„ Wieso, was soll denn los sein?" fragte Lea verwundert.
Darauf hatte niemand der vier anderen auf Anhieb eine Antwort.
„ Ich komme mit!" sagte Lea und setzte sich in Bewegung.
Thomas schüttelte bestimmt den Kopf.
„ Besser du bleibst hier, falls…“
„ Falls was?" fragte Lea.
Sie sah dabei zunächst Thomas und dann Sebastian an, der bis jetzt immer die Initiative ergriffen hatte, nun aber ungewöhnlich still war. Zum ersten Mal hatte Lea den Eindruck, dass ihn die Situation verunsicherte, er dies aber nicht zugeben wollte.
„ Was ist, wenn Harris und sein Team vorzeitig abgebrochen haben und sich jetzt Grabräuber hier rumtreiben. Das ist in Bulgarien ein echtes Problem. Und nicht nur hier. Ich checke lieber kurz die Lage und du hältst hier die Stellung", wandte Thomas sich an Sebastian.
Sebastian war hin und her gerissen. Einerseits gefiel es ihm nicht, dass Thomas so selbstverständlich das Kommando übernommen hatte, andererseits musste er seinem Kumpel Recht geben. Jemand sollte bei Viola und den beiden anderen Frauen bleiben.
Thomas lud seinen Rucksack ab und schnappte sich Enzas Taschenlampe. Lea tat es ihm nach.
„ Was machst du da?“
„ Ich komme mit“, erwiderte sie, verwundert über die Frage.
„ Hast du nicht zugehört?"
„ Wenn ich dabei bin, können wir wenigstens so tun, als seien wir nur naive Touristen, die sich beim Wandern verirrt haben und überhaupt nicht wissen, was gespielt wird."
Thomas wägte die Situation kurz ab. Vielleicht war es wirklich besser, wenn die zierliche Lea mitkam, dachte er. Das konnte die Situation zur Not entschärfen, falls... Ja, falls was denn? An die Geschichte mit den Grabräubern glaubte er eigentlich selber nicht. Dafür war die Grabungsstätte viel zu bevölkert, zumindest hatte er das angenommen. Aber was erwartete er denn in der Baracke zu finden? Natürlich kannte er die Gerüchte über Harris' Assistentin, Nicole. Die Studenten redeten davon, dass die Ausgrabungen unter einem bösen Fluch standen. Thomas war eigentlich überhaupt nicht, der Typ, der sich um derlei Tratsch kümmerte.
Und dennoch.
Jetzt, da er inmitten dieses unwirtlichen Ortes stand, erschien ihm das Gerede über den Fluch des Camps gar nicht mehr so abwegig. Lea riss ihn
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